Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Pflicht, dann das Vergnügen.«
»Botschafter Kung ist zu bemitleiden«, murmelte Rusty, als Mr. dea’Gauss zielstrebig auf sein neues Opfer zusteuerte.
Lina lachte. »Ach, so schlimm ist der alte Herr gar nicht. Er bemüht sich wirklich, anderen Leuten zu helfen. Aber er liebt nun mal seine Arbeit über alles, das kann man ihm nicht unbedingt zum Vorwurf machen.«
»Wenn Sie es sagen«, erwiderte Rusty skeptisch. »Wenigstens ist er nicht so etepetete wie Lady Wie-war-doch-noch-ihr-Name … Kareen? Erinnerst du dich noch an die Fahrt, als sie und ihr Sohn an Bord waren? Shan bunkerte sich regelrecht in seiner Kabine ein, nur um ihr nicht zu begegnen. Sogar Captain Er Thom machte einen nervösen Eindruck.«
Lina lächelte. »Sie blieb ja nur ein paar Wochen. Und der Rest des Törns war doch sehr schön. Jetzt müsst ihr mich aber entschuldigen. Mr. Lyle bat mich um eine Unterredung. Wir sollten uns tunlichst bei diesen Leuten beliebt machen, denn schließlich möchten wir, dass sie für uns arbeiten.« Sie verbeugte sich vor Rusty wie vor einem Gleichgestellten und entbot Priscilla ein warmes Lächeln. »Lady Mendoza. Mr. Morgenstern.«
Rusty schüttelte den Kopf und blickte Priscilla an. »Sie hat ja Recht. Ich ziehe jetzt los und versuche, diese törichte Frau zu finden, die wegen unserer Pin-Beam-Technik so aus dem Häuschen war.« Mit einem lässigen Wink verabschiedete er sich von Priscilla. »Wir sehen uns dann später.«
Allein gelassen sah Priscilla sich in dem großen Empfangssaal um. Mr. dea’Gauss war in ein ernstes Gespräch mit einem hoch aufgeschossenen, hageren Terraner vertieft. Janice Weatherbee und Tonee sonnten sich in den Aufmerksamkeiten einer kleinen Gruppe von niederen Beamten; andauernd wurde die Unterhaltung von übermütigem Lachen unterbrochen.
Ken Rik lauschte höflich einer korpulenten Frau mit bemaltem Gesicht und mehreren Zöpfen, in die eine Unzahl von Juwelen eingeflochten waren. Lina hatte ihr einnehmendstes Lächeln aufgesetzt und plauderte mit einem Herrn, der offensichtlich sehr von ihr beeindruckt war; Priscilla vermutete, dass es sich um Mr. Lyle handelte. Rusty war irgendwo in der Menge untergetaucht, die sich im hinteren Teil des Saales drängte. Die Person, die sie jedoch am meisten zu sehen wünschte, vermochte sie nirgends zu entdecken.
Gereizt zuckte sie mit den Schultern und schlenderte planlos durch den Raum. Was ging es sie an, wenn Shan yos’Galan dem Empfang fernblieb?
»Es wäre höchst unerfreulich«, vertraute Botschafter Gomez einem älteren Gentleman an, der die Robe eines Arsdredi trug, »wenn der Korval-Clan seinen Geschäftspartnern und Verbündeten mitteilte, dass er diesen Planeten in Zukunft nicht mehr anlaufen wird.«
»Mehrere Generationen müssten vergehen, bis man sich von diesem wirtschaftlichen Rückschlag erholt«, murmelte jemand anders. »Das finanzielle Desaster wäre vorprogrammiert, wenn Arsdred zu einem zweitrangigen Hafen deklariert würde …«
War der Korval-Clan tatsächlich so einflussreich?, fragte sie sich, als sie mit einem Lächeln an Janice und Tonee vorbeischlüpfte. Konnte diese Sippe einen ganzen Raumhafen – stellvertretend für eine Welt – ruinieren? Durch einen Boykott tausende von Arbeitsplätzen vernichten? Durch die bloße Ankündigung, sie würden fortan einen bestimmten Anlaufhafen meiden? Sie mochte es kaum glauben. Doch Shan yos’Galan hatte durch Sav Rid Olaneks Machenschaften ein mittleres Vermögen verloren; und er behauptete, der Verlust des Geldes sei sein geringstes Problem.
Der Captain ist ehrlich, dachte Priscilla. Er hätte es offen zugegeben, wenn die finanzielle Einbuße den Clan hart getroffen hätte.
Als sie einen einsamen Botschafter erspähte, in prachtvoller, ordengeschmückter Tunika mit Schärpe, verneigte sie sich und lächelte ihn an. »Guten Abend. Ich bin Priscilla Mendoza, Crewmitglied der Dutiful Passage.«
Der Botschafter entpuppte sich als sehr wissensdurstig. Er wollte alles über das Schiff erfahren, über den Captain, den Korval-Clan, den der Leihbibliothek angeschlossenen Streichelzoo und die Mannschaft. Priscilla gab gewissenhaft Auskunft, verschwieg Dinge, wenn es ihr angebracht schien, und war zum ersten Mal in ihrem Leben dankbar, dass sie ein hübsches Gesicht hatte, das es ihr erlaubte, gelegentlich die Naive zu mimen. Zwar glaubte sie nicht, ‚dass sie die Rolle einer tölpelhaften Person so überzeugend spielte wie Shan yos’Galan, doch ihre Darstellung
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