Leg dein Herz in meine Haende
sie war plötzlich so müde, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Das Wasser fühlte sich herrlich an ihrer nackten Haut an. Sie seufzte zufrieden, als sie vorsichtig tiefer in den See hineinging.
Es war einfach paradiesisch. Nicht einmal die Kälte störte sie, aber als sie sich endlich eingeseift und abgewaschen hatte, waren ihre Lippen blau und ihre Finger schrumpelig wie Pflaumen.
Es wäre schön gewesen, jetzt einfach in ihr Nachthemd schlüpfen zu können, aber das wäre in Coles Anwesenheit unschicklich gewesen, und so zog sie ein sauberes Hemd und ein dunkelgraues Kleid an, das mindestens zwei Größen zu weit war. Jessica hatte noch keine Zeit gehabt, es abzunähen, weil sie abends, wenn sie den ganzen Tag lang hinter Caleb hergerannt war, immer viel zu müde gewesen war, um noch irgendetwas anderes zu tun. Als sie das Kleid über den Kopf zog, schwor sie sich, ihre Zeit in Zukunft besser einzuteilen, und machte sich auf den Weg zurück zum Lager.
Caleb schlief dicht neben Cole, den Kopf an seine Hüfte geschmiegt. Im ersten Augenblick dachte Jessica, auch Cole sei eingeschlafen, denn er lag auf dem Rücken und hatte sich einen der Sättel als Kopfkissen herangezogen.
Leise setzte sie sich ihm gegenüber an das Lagerfeuer. Nachdem sie die Schuhe abgestreift und die Füße unter ihren Rock gezogen hatte, begann sie ihr langes Haar zu bürsten. Sie liebte diese Tageszeit, wenn alles still und friedlich war und sie ein paar Minuten für sich selbst hatte. Die Hitze des Feuers wärmte ihr Gesicht, und sie legte den Kopf schief, sodass ihr Haar über eine Schulter fiel, und beugte sich vor, um es zu trocknen.
»Du wirst noch Feuer fangen«, bemerkte Cole.
Rasch zog sie den Kopf zurück. »Ich dachte, du schläfst«, flüsterte sie, um Caleb nicht zu wecken.
»Du brauchst nicht leise zu sein. Dein Sohn schläft wie ein Stein. Nichts wird ihn stören.«
»Es war ein langer Tag für ihn«, sagte sie mit einem Lächeln in der Stimme.
Einige Minuten herrschte Schweigen, dann sprach Cole wieder. »Du bist eine gute Mutter, Jessica.«
Sie ließ ihre Bürste sinken. »Nein, das bin ich nicht, aber ich versuche es zumindest«, sagte sie. »Ich hatte keinerlei Erfahrung mit Babys, als ich Caleb bekam, und weiß, dass ich Fehler bei ihm gemacht habe. Heute bin ich nicht mehr ganz so verkrampft wie anfangs und kann nur hoffen, nichts getan zu haben, was ihm auf Dauer schaden wird. Ich weiß, dass ich ihn verwöhnt habe, aber das bereue ich nicht. Babys sollten verwöhnt werden, finde ich.«
»Der Junge braucht einen Vater«, meinte Cole. »Wirst du einen Vater für ihn suchen?«
Darauf antwortete sie prompt und sehr entschieden: »Nein. Caleb hat schon einen Vater. Und der hat ihn verlassen.«
»Wie dein Vater dich verließ?«
Sie ignorierte die Frage. »Ich werde nie heiraten. Es wäre viel zu kompliziert.«
»Hast du eine Ahnung, wie kompliziert es sein wird, Caleb ganz alleine aufzuziehen?«
»Wir werden es schon schaffen.«
Cole starrte lange ins Feuer und dachte über Jessicas Lage nach. Sie war noch viel zu jung, um so zu denken. »Nicht alle Männer lassen ihre Familie im Stich.«
»Aber die meisten.«
»Nein, die meisten nicht«, widersprach er. »Du hast Courage, das gestehe ich dir zu, aber du musst auch praktisch sein. Du bist eine gut aussehende Frau, und die Männer werden dich begehren.«
Du bist dazu geschaffen, um geliebt zu werden, dachte er, sagte es aber nicht, um nicht den Eindruck zu erwecken, er sei interessiert. Klar - natürlich hätte er gern mit ihr geschlafen und wusste, dass es eine Nacht sein würde, die er nie vergessen würde, aber er war nicht interessiert an einer Ehe.
»Wie kommst du darauf, dass ich Hilfe brauche, um Caleb aufzuziehen?«, wollte sie wissen.
Jetzt ignorierte er die Frage. »Ich mag die Farbe deines Haares.«
Das Kompliment verblüffte sie. »Wirklich? Die meisten Männer mögen kein braunes Haar.«
»Wie kommst du denn darauf? Wenn ein Mann eine Frau zum ersten Mal bemerkt, ist es sowieso nicht ihr Haar, was ihn am meisten interessiert.«
»Nein? Was denn?«
Cole lächelte. »Nun ja ... alles. Es gibt nichts, was uns entgeht.«
Sie errötete und musste sich zusammennehmen, um nicht zu lachen. »Du solltest nicht so reden.«
»Wieso? Ich habe nur deine Frage beantwortet. Dein Haar ist übrigens gar nicht braun. Es ist zimtfarben.«
Es behagte ihr nicht, dass er so viel Interesse für sie zeigte. Es war falsch von ihm, ihr den Kopf
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