Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
und dann im Bad verschwand.
Dort fischte ich als Erstes mein Handy aus der Tasche und sah entsetzt die vielen Nachrichten in Abwesenheit. Zwei Anrufe, drei SMS . Die SMS waren erstaunlicherweise alle von meiner Mutter. In der Ersten schrieb sie: Keine Sorge, ich habe den Kindern gesagt, dass Du erst morgen heimkommst, weil Du später noch zu Berit gehst und dort übernachtest .
Die zweite lautete: Habe Berit angerufen, sie ist eingeweiht und wird bis zum letzten Atemzug für Dich lügen! Schlaf nur richtig aus!
Die dritte war erst eine Stunde alt: Ich hoffe, Du hattest vorzügliche Steaks und hast auch sonst das Beste aus Deinem Typ(en) rausgeholt, hihi!
Ich stöhnte. Mein Gott, war das peinlich! Allein die Vorstellung, dass die eigene Mutter sich vorstellte, dass ich die halbe Nacht … Nein. Daran wollte ich nicht denken. Schon gar nicht jetzt, nachdem ich wirklich die halbe Nacht … nein!
Der erste Anruf stammte von Jens und der zweite von meiner Kollegin Katja. Beide hatten heute Vormittag Wochenenddienst in der Redaktion. Hastig hörte ich die Mailbox ab.
»Hör zu«, sagte Jens gedehnt. »Nur, dass da keine Missverständnisse aufkommen. Wegen des Artikels. Eigentlich war es meine Idee. Mein Aufhänger. Mein Thema. Also im Grunde eine Sache, die man als meine Arbeit bezeichnen kann. Du erinnerst dich bestimmt noch, wie Niklas dir die Unterlagen gebracht hat. Quasi die von mir erstellte Arbeitsgrundlage für den Artikel. Für den du mir dann eigentlich nur zugearbeitet hast. Wenn überhaupt. Das sollten wir im Auge behalten, ja?«
Häh? Verständnislos starrte ich das Handy an, als könne es mir erklären, was dieser merkwürdige Anruf bedeuten sollte. Ging es um den Artikel, der heute Morgen in der Samstagsausgabe erscheinen sollte (beziehungsweise schon erschienen war) und den ich zuletzt bei der Satzkontrolle gesehen hatte? Er war wirklich gelungen, wie ich fand. An irgendwelche Unterlagen von Jens konnte ich mich allerdings nicht erinnern, es sei denn, er meinte die bekritzelten Post-its, die er bei jeder Gelegenheit überall hinpappte oder von Niklas hinpappen ließ.
Katjas Anruf war zehn Minuten nach dem von Jens aufgezeichnet worden. Ihre Stimme klang aufgebracht. »Ich habe gerade mitgekriegt, was Jens dir auf die Mailbox gesprochen hat. So eine Unverschämtheit! Das geht so was von gar nicht! Aber keine Sorge, der schmückt sich nicht mit deinen Federn. Das stelle ich gleich klar. Ich rufe persönlich den Huber an.«
Ich blickte immer noch nicht richtig durch. Vielleicht sollte ich kalt duschen, um wieder klar denken zu können.
Mein Handy brummte, als ich gerade in die Dusche steigen wollte. Die Nummer war mir unbekannt.
»Annabell Wingenfeld«, meldete ich mich.
»Guten Morgen, Frau Wingenfeld. Hier ist Huber. Ich hoffe, ich störe nicht.«
Der oberste Zeitungschef persönlich! Mir entglitt fast das Handy, ich konnte es gerade noch festhalten.
»Nein, Herr Huber!«, stammelte ich und hangelte nach einem Handtuch, um es mir vor den Körper zu halten, obwohl Huber mich ja gar nicht sehen konnte.
»Liebe Frau Wingenfeld, bevor Sie sich den Kopf darüber zerbrechen, ob Ihre Arbeit die gebührende Würdigung erfährt – lassen Sie mich Ihnen höchstpersönlich mitteilen, dass dies zweifelsfrei der Fall ist. Der Artikel von heute erfüllt höchste Ansprüche. Ich habe ihn mehrmals mit großer Begeisterung gelesen, und meine Frau auch. Seit dem Morgen kommen ständig Anrufe und Mails, das Feedback ist überwältigend. Der Artikel ist thematisch packend und zugleich fundiert, menschlich berührend, stilistisch perfekt. Kurz – er ist herausragend.«
»Danke!«, sagte ich fassungslos.
Und dann ließ ich vor Schreck das Handtuch fallen, denn er sagte: »Ich werde ihn für den deutschen Journalistenpreis einreichen.«
»Oh!«, stieß ich hervor.
»Dass ich diese Absicht nicht zuerst Ihnen, sondern Herrn Hartwig mitteilte, war vielleicht ein Fehler, wie mir soeben von Ihrer Kollegin hinterbracht wurde. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen – ich kenne und schätze Ihre Arbeit seit Langem. Denn sie ist vor allem eines, was Herr Hartwig vielleicht nicht bedacht hatte – unverwechselbar. Ich denke, es wird höchste Zeit, dass wir uns einmal persönlich unterhalten.«
»Ja«, stieß ich hervor. Hastig hob ich das Handtuch wieder auf und hielt es vor mich. »Äh … worüber denn?«
»Wie Sie vielleicht schon gehört haben, möchte ich im Interesse einer besseren Arbeitsverteilung eine
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