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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Himmel blieb bedeckt, bei einer Regenwahrscheinlichkeit von siebzig Prozent. Als die Wetternachrichten für das Wochenende auch noch starke Niederschläge voraussagten, lagen meine Nerven blank. Ich hatte vermutlich einfach zu oft in überschwappende Schüsseln treten müssen, um bei diesen Aussichten Ruhe zu bewahren.
    Doch dann kam der Freitag, und ich war wegen des anstehenden Abendessens mit Tobias derartig nervös, dass meine Regenphobien vorübergehend in den Hintergrund traten. Die wichtigste Frage war natürlich, was ich anziehen sollte.
    »Einen Rock«, sagte Berit, die ich in meiner Unentschlossenheit anrief.
    »Weshalb einen Rock?« Ich geriet in Panik. »Findest du meinen Hintern und meine Beine in Jeans zu fett?«
    »Blödsinn. Du und deine Komplexe!«
    »Wieso dann ein Rock?«
    »Das ist praktischer.«
    »Wofür?«
    »Weil er sich schneller ausziehen lässt.«
    Ich merkte, dass ich rot wurde. »Du bist unmöglich.«
    Aus unerfindlichen Gründen befolgte ich trotzdem ihren Rat und zog einen Rock an. Schon deshalb, weil das besser zu den italienischen Pumps passte.
    »Gute Idee, einen Rock anzuziehen«, lobte meine Mutter mich.
    »Ja, das ist eindeutig damenhafter«, stimmte Helga zu.
    Meine Mutter kicherte. »Und er lässt sich schneller ausziehen.«
    »Lieselotte!«, sagte Helga errötend.
    Am frühen Abend checkte ich noch einmal meine Mails – und fiel vor Aufregung fast vom Sofa, als ich die erste Betreffzeile der Eingänge las.
    Freitag, 15.45 Uhr
    Mail von Literaturagentur Helfrich und Bohl an Annabell
    Betreff: Exposé und Leseprobe Ihres Romans »Tote Mädchen küssen nicht«
    Liebe Frau Wingenfeld,
    wir kommen auf unsere Korrespondenz vom letzten Monat zurück und können Ihnen nun mitteilen, dass wir Ihren Stoff eingehend geprüft haben und Sie gern als Autorin exklusiv unter Vertrag nehmen möchten.
    Bitte rufen Sie uns doch Anfang kommender Woche einfach einmal an, dann besprechen wir alles Weitere persönlich!
    Herzliche Grüße und ein angenehmes Wochenende,
    Ihr
    Raimund Helfrich
    Geschäftsführer
    »Oh«, stieß ich hervor. »Oh!« Und danach sagte ich noch ein paar Mal Oh , und dann mehrmals Ach du liebe Güte !, weil ich das Gefühl hatte, einfach irgendetwas sagen zu müssen , und weil mir auf die Schnelle nichts Besseres einfiel. Ich war komplett aus dem Häuschen. Denn diese Firma war eine richtige Agentur, eine von den sogenannten Top Five, wie es in den Autorenforen hieß, wo ich mich nach dem Debakel mit Marlene Bergström ausgiebig kundig gemacht hatte. Mittlerweile wusste ich fast alles über diese Branche. Von einer solchen Agentur angenommen zu werden, war beinahe so gut wie ein Verlagsvertrag, denn wenn eine renommierte Literaturagentur einen Autor unter Vertrag hatte, schaffte sie es meist auch, ihn bei einem Verlag unterzubringen. Ohne solche Abzockmethoden wie kostenpflichtiges Lektorat oder dubiose Auslagenerstattung. Die Agentur bekam lediglich die vereinbarte Provision plus Mehrwertsteuer, und das auch nur, wenn der Verlag das Autorenhonorar gezahlt hatte.
    Ich schwebte wie auf Wolken in unser wundervolles, weiß gefliestes Badezimmer mit den blitzenden Armaturen, um mich in der funkelnagelneuen Dusche zu duschen. Glücklich summend vollführte ich das komplette Pflegeprogramm, einschließlich Enthaarung an strategisch bedeutsamen Körperstellen; ich föhnte, schminkte und stylte mich, bis man mich rein optisch wirklich für eine nahe Verwandte von Veronica Ferres hätte halten können.
    Meine Euphorie kannte keine Grenzen. Als ich nach unten ging, kam ich mir reich, berühmt und attraktiv vor.
    »Du siehst schön aus, Mama!«, sagte Timo bewundernd. »Und du riechst auch toll!«
    Meine Mutter und meine Schwiegermutter waren derselben Meinung.
    »Du hast wirklich das Beste aus deinem Typ herausgeholt«, erklärte Helga, nachdem sie mich von Kopf bis Fuß gemustert hatte.
    Meine Mutter kicherte und kniff ein Auge zu. »Das kann Annabell eigentlich erst morgen früh beurteilen.«
    Helga brauchte einen Moment, bis sie diese Bemerkung verstanden hatte. »Du bist so … liederlich!«, sagte sie empört zu meiner Mutter.
    Benedikt kam aus dem Keller nach oben. Er hatte verkündet, weiterhin im Hobbykeller wohnen zu wollen, weil er dort die Musik lauter stellen konnte.
    Sophie hatte seine Pläne bereits abfällig kommentiert. »Klar, ne. Musik .«
    Ich hatte so getan, als ginge es mich nichts an, denn sonst hätte ich mich wieder mit dem unerfreulichen und belastenden Thema

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