Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
geplatzt; beim Anblick des Reporters verzog sie ärgerlich das Gesicht. »Sie sollten doch hier nicht reingehen!« Zu mir sagte sie verlegen: »Tut mir leid. Ich hatte ihn weggeschickt.«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte meine Mutter. »Er kann nachher ein paar Fotos machen und zwei, drei Fragen stellen.« Sie betrachtete mich kritisch. »Vielleicht sollten wir dich zuerst kämmen.«
»Er soll rausgehen«, sagte ich zu der Schwester.
»Sie haben es gehört«, sagte diese grimmig zu dem Reporter.
»Wir haben doch noch gar nicht über die Konditionen verhandelt«, sagte er zu mir.
»Ich kann nicht verhandeln. Ich bin einem Verbrechen zum Opfer gefallen und frisch operiert.«
»Dreitausend«, erklärte er.
Die Schwester fasste ihn beim Ärmel. »Sie verlassen auf der Stelle …«
»Sekunde mal«, sagte ich. Dabei dachte ich an den Boiler und den Wagen. Und vom Dach könnte ich die undichte Stelle flicken lassen. Vielleicht blieb sogar noch genug für drei oder vier neue Türen übrig.
Er schubste die Schwester zur Seite und kam näher. »Sind wir uns einig?«
Meine Mutter schob sich sofort zwischen ihn und mein Bett, sie war eine Spielernatur. »Doppelt oder nichts.«
»Dann aber exklusiv nur für DAS BLATT «, verlangte er.
Das war mein Stichwort, immerhin war ich vom Fach. »Für Print- und Onlineausgabe, weltweit und in unbegrenzter Stückzahl. Text muss aber autorisiert werden. Fotos nur nach Freigabe. Zahlbar binnen acht Tagen nach Erscheinen. Und natürlich will ich es schriftlich.«
Ich hielt die Luft an, meine Forderungen erschienen mir plötzlich unverschämt. Doch der Reporter nickte nur gleichmütig.
Er ging kurz zum Telefonieren raus, dann kam er zurück und zeigte mir sein iPhone, wo ich die Bestätigung des Deals in seiner Mailbox lesen konnte. Bei der Gelegenheit stellte er sich auch gleich vor, sein Name war Klaus Rademann. Meine Mutter forderte ihn auf, die Nachricht sofort an meine Mailadresse weiterzuleiten, sicher ist sicher, und damit waren wir im Geschäft.
Das Interview dauerte nicht lange, denn die Artikel von DAS BLATT zeichneten sich durch extreme Kürze aus, nur die Schlagzeilen beanspruchten viel Platz. Genau wie die Fotos. Klaus Rademann schoss eine ganze Reihe davon (»Nein, tun Sie den Kamm weg, unfrisiert ist es authentischer!«), und anschließend zeigte er sie mir im Display der Kamera. Ich gab ein paar von denen frei, die mir am wenigsten scheußlich vorkamen. Dass ich darauf wie das mühsam zusammengeflickte Opfer eines Kettensägenmassakers aussah, mit wirren Haaren, dunklen Ringen unter den Augen und leidgeprüfter Miene, ließ sich leider nicht ändern, außerdem war es genau das, was DAS BLATT wollte.
Sie hätten sogar Fotos von dem Überfall und eine kurze Videosequenz, erzählte Klaus Rademann, aber die durften sie nicht verwenden, weil die Bank ein Verbot erwirkt hatte. Außerdem hatten sich die Behörden eingeschaltet und ebenfalls eine Veröffentlichung der Bilder untersagt, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.
Er zeigte mir die Bilder auf seinem iPhone. »Die hat einer von den Bankkunden gemacht, auf dem Boden liegend, mit dem Handy. Man sieht bloß die Beine von dem Killer. Das Banklogo und die Gesichter von den herumliegenden Leuten hätten wir auch rauslöschen können. Ich weiß nicht, warum die sich so anstellen müssen.«
Während ich mir die Fotos ansah, holte er sein MacBook aus seiner Umhängetasche und tippte an Ort und Stelle den dazugehörigen Artikel, um ihn noch vom Krankenzimmer aus in die Redaktion zu senden.
»Super Equipment«, sagte meine Mutter. »Da funktioniert Journalismus doch gleich ganz anders! Hautnah am Zeitgeschehen!«
Die Bilder, die sich Klaus Rademann auf sein iPhone gezogen hatte, waren erst recht hautnah. Auf einem der Fotos sah ich mich selbst auf dem Boden liegen, rücklings ausgestreckt, inmitten einer Blutlache, die Augen weit offen. Ich sah tatsächlich tot aus. Erschaudernd schloss ich die Datei und gab Klaus Rademann das iPhone zurück. Er las mir meine Interview-Antworten vor, und ich genehmigte sie.
»War nett, mit Ihnen zu arbeiten«, sagte er anschließend. »Vielleicht können wir ja noch mal was zusammen machen. Wenn der Kerl geschnappt wird, zum Beispiel.«
»Jederzeit«, sagte meine Mutter. »Wollen Sie Annabells Karte?«
»Nicht nötig, ich habe ja ihre Mailadresse.«
Er gab uns höflich die Hand, bevor er ging.
»Das nenne ich mal einen rasenden Reporter«, meinte meine Mutter.
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