Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
Nicht herauszukriegen war, ob sie dort eine Art Zusatzversicherung für die Opfer von Banküberfällen hatten, oder ob sie eigene Geldtöpfe aufmachen mussten, um niedergeschossenen Kassenpatienten eine private Klinikbehandlung angedeihen zu lassen. Aber das Ergebnis fand ich sehr nobel.
    Durch diese Vorzugsbehandlung und das Geld vom BLATT fühlte ich mich gleich viel besser. Berit, die mich am Nachmittag besuchen kam, meinte zwar, die Bank hätte bloß Angst, dass ich sie verklagen würde, deshalb versuchten sie, mich mit Chefarzt und Einbettzimmer einzulullen, doch das konnte ich nicht nachvollziehen.
    »Weswegen sollte ich sie denn verklagen?«, fragte ich. »Sie können doch nichts dafür, dass dieser Kerl mich angeschossen hat. Eigentlich war es meine eigene Blödheit. Ich hätte einfach meine Klappe halten müssen, statt dazwischenzurufen, und außerdem hätte ich besser weggesehen, als ihm der Bart runterrutschte.«
    »Das ist Quatsch«, sagte Berit. »Als wäre das die Rechtfertigung, jemanden mal eben zu erschießen!«
    »Es hat seine Hemmschwelle herabgesetzt.«
    »Hör bitte auf, solchen Blödsinn zu reden!« Berit war mittlerweile richtig empört. »Es gibt keine Entschuldigung für diesen Mordversuch! Außerdem hast du selbst gesagt, dass der Bart gar nicht weit genug runtergerutscht war, um sein Gesicht zu erkennen! Der Kerl wollte einfach auf Nummer sicher gehen, nur für den Fall, dass du doch genug gesehen hast, um ihn zu beschreiben! Dafür verdient er lebenslänglich, mindestens!«
    Damit war für sie das Thema beendet. Ich überlegte hin und her, ob ich ihr von meinem ungeheuerlichen Verdacht erzählen sollte, aber mittlerweile glaubte ich immer mehr, dass ich im Begriff war, mir etwas zurechtzufantasieren. Ich konnte nicht einfach einen harmlosen Restaurantbesucher des versuchten Mordes bezichtigen, nur weil er zufällig ein Notizbuch dabeigehabt hatte. Millionen von Leuten besaßen Notizbücher und schrieben andauernd hinein. Unter anderem ich selbst. Und Berit ebenfalls. Von mindestens fünfzig Prozent meiner Kollegen ganz zu schweigen. Und hatte nicht das Notizbuch von dem Typen beim Italiener ganz anders ausgesehen als das des Bankräubers? Ich dachte gründlich nach und kam schließlich zu der Einsicht, dass ich es nicht mehr wusste.
    Die zweite Übereinstimmung, nämlich die Geld-oder-Leben- Sache, war garantiert ebenfalls nur Zufall, vermutlich sogar einer, der längst nicht so merkwürdig war, wie man auf Anhieb glauben mochte. War es nicht eine ganz normale Vorgehensweise bei einem Banküberfall, den Angestellten hinterm Schalter solche Zettel vor die Nase zu halten? Geld oder Leben war sozusagen der Klassiker unter den Räubersprüchen, vermutlich hatten unterm Strich schon Zigtausende von Tätern diesen Spruch verwendet, ob mit Notizblock oder ohne.
    Voller Unbehagen stellte ich mir vor, was geschehen würde, wenn ich trotz all dieser Zweifel den Mann aus dem Lokal als möglichen Täter ins Gespräch brachte. Meist wollten die Ermittlungsbehörden der Öffentlichkeit schnell einen Sündenbock präsentieren, was dazu verleiten mochte, die Möglichkeit eines Irrtums einfach vom Tisch zu wischen. Die Polizei würde nach meinen Angaben eine Phantomzeichnung anfertigen und bundesweit nach dem Mann fahnden. Er hatte vielleicht kein Alibi und würde in den Knast wandern. Und ich hätte dann zu verantworten, dass er durch die Untersuchungshaft ein nicht wieder gutzumachendes Trauma erlitt. Möglicherweise hatte er Familie. Eine Frau, die garantiert einen Nervenzusammenbruch kriegen, und Kinder, die man in der Schule mobben würde. Freunde, die ihn meiden, und tuschelnde Nachbarn, die noch Jahre später über den armen Kerl herziehen würden. Wenn jemand mit Dreck beworfen wurde, lag es in der Natur der Sache, dass immer ein bisschen davon hängen blieb.
    »Woran denkst du?«, wollte Berit wissen.
    »Ach, an nichts. Nur daran, wie lange ich wohl noch hierbleiben muss. Ich habe vergessen, danach zu fragen.«
    »Du solltest jeden Tag ausnutzen. Ehrlich, wenn du mich fragst, solltest du dir die Zeit wirklich nehmen, dann kommst du wenigstens nicht in Versuchung, dich zu früh wieder zu belasten.«
    Ich hatte gar nicht vor, früher als nötig nach Hause zu gehen. Zum einen hatte ich immer noch höllische Schmerzen, sobald die Wirkung der Tabletten nachließ, von denen ich alle paar Stunden eine nehmen musste. Zum anderen war zu Hause meine Mutter, und so schnell würde sie von dort auch nicht

Weitere Kostenlose Bücher