Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Kopf.
»Eins«, sagte ich, dann fiel mir ein, dass er das bestimmt nur gesagt hatte, um mir die Furcht vor der Narkose zu nehmen, also sparte ich mir die Mühe. Stattdessen wollte ich ihn fragen, was mit mir los war, doch bevor ich den Mund aufmachen konnte, war ich auch schon weggetreten.
*
Als ich das nächste Mal aufwachte, war alles um mich herum weiß. Mir war übel, die ganze linke Seite tat mir weh, aber ich war nicht tot. Das konnte ich zweifelsfrei daran merken, dass eine Krankenschwester neben meinem Bett auftauchte und erklärte: »Sie haben die Operation gut überstanden und sind jetzt im Aufwachraum.«
»Hng«, würgte ich, worauf sie mir eine Pappschale vorhielt, damit ich mich übergeben konnte.
Danach fragte sie, ob ich Schmerzen habe, was ich bejahte, worauf sie an dem Infusionsapparat herumhantierte. Danach hielt sie mir noch einmal die Schale vors Gesicht und verschwand anschließend wieder. Ich versuchte, über meine Lage nachzudenken, doch ich war zu benommen. Mein Kopf war leer, mein Sehvermögen getrübt. Nach einer Weile döste ich wieder ein.
Beim nächsten Aufwachen lag ich in einem Krankenzimmer, und Berit saß neben meinem Bett. Sie hielt meine Hand und schluchzte, als ich die Augen aufschlug.
»Um Gottes willen, Annabell! Was machst du nur für Sachen!«
Hinter ihr stand Benedikt. Er blickte angestrengt auf einen Punkt neben meinem Kopf und kämpfte sichtlich mit den Tränen. Mein großer Junge, er wollte so gern tapfer sein.
»Alles im grünen Bereich«, murmelte ich. »Der Narkosearzt konnte nicht selber bis zehn zählen, aber der Rest lief prima.«
Benedikts Gesicht entspannte sich etwas, und auch Berit lächelte unter Tränen. »Du hast uns so einen Riesenschreck eingejagt! Ich bin sofort losgerast, als Benedikt mich angerufen hat.«
Ich war immer noch mit allen möglichen Gerätschaften verkabelt, und mein Oberkörper war bandagiert wie bei einer Mumie, ich spürte bei jedem Atemzug, wie fest die Verbände saßen. Schmerzen hatte ich zum Glück keine mehr. Ich sah aus dem Fenster, es wurde gerade dämmerig. »Wie spät haben wir?«
»Halb acht.«
»Meine Güte, jemand muss Timo …«
»Den hab ich aus dem Kindergarten abgeholt«, sagte Benedikt schnell. »Sophie ist jetzt bei ihm. Sie macht auch die Wäsche und räumt alles auf. Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen, Mama! Wir kommen schon klar! Hauptsache, du wirst wieder gesund!« Seine Miene zeigte Entschlossenheit, aber er konnte seine Verzweiflung und seine Angst nicht verbergen. Ich hätte ihn gern gedrückt und getröstet, so wie damals, als sein Vater gestorben war, doch ich war zu schwach. Dafür war mein Zorn auf diesen miesen Bankräuber grenzenlos. Wie konnte er meinen armen Kindern so was antun! Die waren bestimmt für ihr ganzes Leben traumatisiert! Dafür sollte er bis in alle Ewigkeit schmoren, zuerst im Knast und dann in der Hölle!
»Haben sie den Kerl geschnappt?«, flüsterte ich.
Berit schüttelte den Kopf. »Aber sie kriegen ihn bestimmt! Er ist schon bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben.«
»Wer war es denn?«
»Das weiß man noch nicht, er war ja maskiert. Aber sie arbeiten dran.«
Ich wollte noch etwas fragen, aber ich war zu müde. Berit streichelte meine Hand, während ich wieder einschlief. Als ich das nächste Mal aufwachte, war es Nacht. Ich war allein im Zimmer, es gab zwar noch ein zweites Bett, aber das war nicht belegt. Ich musste aufs Klo und versuchte mich aufzurichten, doch das ließ ich sofort wieder sein, denn in meiner linken Körperseite stach es wie von tausend Messern. Ich fand einen Rufknopf und drückte ihn. Die Nachtschwester kam und hielt mir eine Pfanne unter.
»Was genau fehlt mir eigentlich?«, wollte ich von ihr wissen.
»Sie sind angeschossen worden!«, sagte sie. Dann merkte sie, dass diese Antwort fast so blöd war wie meine Frage, denn sie fügte hinzu: »Das Geschoss blieb an einer Rippe hängen, es war ein kleines Kaliber. Sie hatten viel Glück. Ein halber Zentimeter höher, und es wäre ins Herz gegangen.« Bewundernd betrachtete sie mich. »Wahnsinn, ich hätte mich das nicht getraut!«
»Was denn?«
»Den Kerl aufzuhalten!«
»Also, das war eigentlich …«
»Und es war auch total mutig, wie Sie schon vorher im Wege der Deeskalation auf den Täter eingewirkt haben!«
»Ich habe … Woher haben Sie das denn?«
»Na, aus den Nachrichten. Da waren Interviews mit Augenzeugen. Die sagten, dass Sie allen empfohlen haben, sich hinzulegen. Damit
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