Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
das habe ich für dich gemacht!«
Sie tippte auf eine Taste, worauf der Bildschirmschoner einer Website Platz machte, auf der ich selbst zu sehen war. Genauer: ein Foto von mir, auf dem ich albern in die Kamera grinste und ein Glas Sekt hochhielt. Sophie hatte es auf Benedikts Party geknipst. Darunter war eine Art Tabelle ausgefüllt, mit der Überschrift Profil .
»Mutter«, sagte ich stirnrunzelnd. »Was ist das?«
»Das siehst du doch. Es ist dein Dating-Profil.«
»Was meinst du mit Dating-Profil?«
Sie betrachtete mich geduldig. »Date ist ein anderes Wort für Verabredung. Und Profil ein anderes Wort für persönliche Eigenschaften. Wenn du jemanden im Internet kennenlernen und ihn daten willst, brauchst du ein Profil, Kind.«
»Aber ich will niemanden aus dem Internet daten!« Alarmiert sah ich sie an. »Hast du das etwa schon eingestellt?«
»Natürlich. Deshalb zeige ich es dir ja. Ist es nicht toll geworden? Du hast schon zehn Anfragen in deiner Date-Box!«
Aufgeschreckt betrachtete ich das Profil. »Lösch das bitte sofort!«
»Aber warum denn?«, wollte meine Mutter ehrlich erstaunt wissen.
»Weil das alles doch gar nicht stimmt! Ich bin nicht neununddreißig! Sondern fast fünfundvierzig, das kannst du unmöglich schon wieder vergessen haben!«
»Ach«, sagte sie wegwerfend, »die paar Jährchen. Das fällt überhaupt nicht ins Gewicht. Außerdem siehst du jünger aus. Deutlich jünger. Kein Mensch würde dir die Fünfundvierzig abkaufen.«
Ich unterdrückte den Impuls, mich geschmeichelt zu fühlen.
Irritiert zeigte ich auf die Sparte Kinder . »Ich habe drei Kinder, nicht bloß eins!«
»Benny und Sophie sind schon groß, die zählen nicht«, belehrte mich meine Mutter. »Jedenfalls nicht für eine neue Partnerschaft.«
Da hätte ich sie leicht eines Besseren belehren können, oder vielmehr: Sophie und Benedikt hätten es gekonnt, doch hier war jede Diskussion sinnlos.
»Wie kommst du bloß auf Segeln ?«, fragte ich. »Ich war noch nie segeln! Und Origami ! Du liebe Zeit, das kenne ich nur vom Kreuzworträtsel!«
»Man muss ansprechende Hobbys haben«, erklärte meine Mutter. »Eins, das für körperliche Fitness steht, aber möglichst nicht so was Abgedroschenes wie Joggen oder Fahrrad fahren, und eins, das beschaulichen Charakter hat und ein bisschen ausgefallen ist, wie zum Beispiel Origami.«
»Aber das ist doch geschummelt! Mal angenommen, ich würde rein theoretisch einen von diesen Typen treffen – wie soll ich mich denn herausreden, wenn der mit mir Papiervögelchen falten will?«
»Ach, da haben die doch in Wahrheit überhaupt kein Interesse dran.« Sie kniff vielsagend ein Auge zu.
Ich ersparte mir genaueres Nachfragen, was sie damit meinte. Stattdessen sah ich mir die übrigen Eigenschaften an, die sie mir angedichtet hatte. »Schlank?! Also wirklich!«
»Es gab nur drei Möglichkeiten zur Auswahl«, rechtfertigte sie sich. »Schlank, vollschlank und normal. Normal kann man da unmöglich ankreuzen, das ist für hundert Kilo aufwärts. Und vollschlank bedeutet immer noch mindestens zwanzig Kilo Übergewicht. Also bleibt nur schlank.«
Es folgte eine Zeile mit Charaktereigenschaften, dort stand: Fröhlich, unkompliziert, verschmust.
»Oh, mein Gott! Mutter!«
»Was denn?«, verteidigte sie sich. »Du bist doch fröhlich, oder? Schau nur, wie du auf dem Foto lachst! Und man muss dir nur beim Pizzabrötchenbacken zusehen! Unkomplizierter geht es nicht. In zehn Minuten fertig! Und während sie im Ofen waren, hast du Timo geknuddelt und ihm aus Ich und meine Gefühle vorgelesen. Also, exakter konnte ich deinen Charakter doch wirklich nicht beschreiben, oder?«
»Bitte lass das auf der Stelle verschwinden.«
»Meinetwegen«, sagte sie beleidigt. »Aber du machst damit einen schweren Fehler. Sieh doch nur, jetzt hast du schon zwölf Nachrichten!«
Ich zog es vor, mich zu Rock Hudson ins Wohnzimmer zu setzen. Für den brauchte ich kein Profil, er würde immer treu hinter meinem Sofa hocken und lächeln, auch wenn das einzige Origami, das ich beherrschte, Himmel und Hölle war.
*
Ein paar Tage später stand ich daumendrückend am Gartentor und wartete auf das Fahrschulauto. Im Haus hatte ich es nicht mehr ausgehalten, es war zu laut. Egal, wo ich mich dort aufhielt – es schien kein ruhiges Fleckchen mehr zu geben. Zu den immer noch hämmernden Installateuren hatten sich hämmernde Stuckateure gesellt, die neuen Zierputz aufbringen sollten. Vorher musste natürlich der
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