Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
mir, es brachte sowieso nichts, denn am nächsten Morgen ging es jedes Mal wieder von vorn los.
Das Dachgebälk wurde mit neuen Latten versehen und gedämmt, wobei sich allerdings das Tempo, mit dem Fritz Jück und seine Mannen anfangs losgelegt hatten, deutlich verringert hatte. Er selbst tauchte nur noch sporadisch auf und war immer rasch wieder verschwunden, meist bevor ich ihn fragen konnte, ob alles planmäßig lief. Es irritierte mich ein wenig, dass nur noch so wenige Arbeiter auf dem Dach zugange waren, doch meine Mutter meinte, das käme sicher daher, dass sie für den Gerüstbau ausnahmsweise zusätzliche Leute eingesetzt hätten und die übrige Zeit nur noch mit normaler Besetzung da seien. Einmal erwischte ich Fritz Jück dann doch, am dritten Tag, als er abends seine Arbeiter mit dem Pritschenwagen abholte. Ich fragte ihn, ob die ausgewählten Pfannen bereits eingetroffen seien.
»Natürlich«, strahlte er. »Liegen schon bei mir auf dem Firmengelände! Herrliche blaue Ware!«
Ich war erleichtert. Die Pfannen waren nämlich schon bezahlt. Ich hatte sie selbst auf eigene Rechnung beim Großhändler bestellen und den Kaufpreis überweisen müssen, was mir zunächst etwas eigenartig vorgekommen war, doch Fritz Jück hatte gemeint, es sei völlig normal, wenn ich als Bauherrin die Pfannen selbst beim Hersteller orderte, schließlich sei ich ja auch dann der Eigentümer der Pfannen, er müsse sie nur verwahren und verarbeiten. Das erschien mir einleuchtend, weshalb ich es auch nicht weiter hinterfragte. Außerdem konnte es mir egal sein, ob ich das Geld für die Pfannen an Fritz Jück oder an den Lieferanten überwies, es kostete mich dadurch keinen Cent mehr oder weniger.
»Kommen dann zum Dachdecken wieder mehr von Ihren Arbeitern her?«, fragte ich. An diesem Nachmittag waren sie bloß noch zu zweit gewesen, sie hatten neue Regenrinnen mitgebracht und mindestens die Hälfte davon im Vorgarten liegen lassen. Wenn es in dieser Geschwindigkeit weiterging, würden sie noch Monate brauchen statt eine Woche.
»Oh, ja, sicher«, sagte Fritz Jück. »Zum Decken sind wieder alle Mann hier. Das geht ruckzuck. Aber erst mal müssen wir für ein paar Tage auf eine andere Baustelle. Sie wissen schon, der eine Bauherr, der eigentlich vor Ihnen dran war.«
»Aber der ist doch tot!«
»Na ja, aber sein Haus steht noch. Und die Erben haben sich jetzt geeinigt und wollen das Dach doch noch decken lassen.«
Er bemerkte meinen irritierten Gesichtsausdruck und meinte leutselig: »Dauert nur eine Woche, höchstens. Und bei Ihrem Dach ist ja erst mal alles dicht. Pappe und Latten sind drauf, da kann nix passieren.«
Ich überlegte, wo der schwache Punkt in dieser Argumentation war, doch auf Anhieb kam ich nicht darauf. Dafür aber meine Mutter, die zufällig den Rest der Unterhaltung aufgeschnappt hatte. »Wozu braucht man dann überhaupt die Dachpfannen?«, erkundigte sie sich. »Sind sie bloß Deko oder was?«
Genau! Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. Die Weisheit des Alters war doch manchmal nicht zu unterschätzen.
»Sie sind natürlich dazu da, damit das Dach völlig dicht ist«, räumte Fritz Jück ein. »Aber solange keine Sintflut runterkommt, geht es auch so. Und die nächsten Wochen haben wir hier das absolute Hoch. In der Hinsicht können wir ganz unbesorgt sein.«
»Und wenn die Wetterfrösche falsch liegen?«, fragte ich. »Jeder weiß, dass das immer wieder vorkommt!«
»Kein Problem. Dann haben Sie absoluten Vorrang, und wir sind in einer Viertelstunde hier und legen los. Rufen Sie einfach an, wenn die Wetterlage Ihnen Sorge macht, und Fritz kommt sofort.« Er lächelte breit. »Aber glauben Sie mir, das wird nicht passieren.«
Damit musste ich mich fürs Erste zufriedengeben. Meine Mutter blickte seiner kugeligen roten Gestalt hinterher, als er zu seinen Arbeitern in den Pritschenwagen stieg.
»Komischer kleiner Fettsack. Sein Lächeln war irgendwie … aufgesetzt.«
Ich hätte ihr gern widersprochen, doch mir fiel nichts Sinnvolles ein. Als der Pritschenwagen davonbrauste, starrte ich auf den Schriftzug Immer auf Jück , bis er meinen Blicken entschwunden war, und ich fragte mich, wieso ich auf einmal so ein merkwürdiges Gefühl kommenden Unheils verspürte.
»Ich habe da übrigens was für dich«, sagte meine Mutter. »Komm mal mit.« Ich folgte ihr in mein Arbeitszimmer (das jetzt zum Gästezimmer umfunktioniert war), wo auf dem Schreibtisch ihr aufgeklappter Laptop stand.
»Sieh mal,
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