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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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schrecklich deprimierend und zugleich aufrüttelnd; viele der Frauen, die später in ihren Beziehungen Gewalt erfuhren, waren schon als Kinder verprügelt worden, ein ewiger Kreislauf brutaler Unterdrückung.
    Irgendwann hatte ich genug und wollte nur noch schlafen. Praktischerweise konnte ich dafür gleich liegen bleiben; das Sofa war ja mein Bett, jedenfalls solange, bis das Dach fertig war. Von Fertigwerden konnte allerdings im Moment keine Rede sein. Fritz Jück und seine Dachdecker machten sich derzeit noch rarer als in der vergangenen Woche. Zuletzt war nur noch ein Arbeiter erschienen, und das war auch schon wieder zwei Tage her. Gearbeitet hatte er nicht viel, nur ein Stück von der Regenrinne angebracht und das herumliegende Werkzeug eingesammelt und mitgenommen, und er war auch nicht mit dem Pritschenwagen gekommen, sondern mit dem Fahrrad. Auf meine Frage, wann denn nun endlich die Pfannen gebracht würden, hatte er freundlich erklärt, er nix spräch Deutsch, weil er komme aus (nicht verständlich), aber er sagge Fritz Bescheid, dass (irgendwas mit Dach), und dann kanne Fritz mache (irgendein Wort mit mehreren Ü, es könnten aber auch Y gewesen sein).
    Seither war die Firma Jück nicht mehr in Erscheinung getreten. Ich hatte mehrfach angerufen, aber es war immer nur der Anrufbeantworter drangegangen. Jedes Mal hatte ich mein Sprüchlein mit der Bitte um sofortigen Rückruf hinterlassen – vergeblich. Außerdem hatte ich schon drei böse Mails geschickt. Sicherheitshalber schrieb ich gleich noch eine, damit Fritz sich nicht damit herausreden konnte, die davor nicht bekommen zu haben.
    Hallo Herr Jück!
    So kann das nicht weitergehen. Ich habe mindestens zehn Mal versucht, Sie anzurufen, und auf meine Mails haben sie auch nicht geantwortet. Ihr Arbeiter hat mir versprochen, dass Sie sich melden. Wenn Sie sich nicht mehr hier blicken lassen, muss ich daher ernsthaft an Ihrem guten Willen zweifeln. Schließlich haben wir einen Vertrag! Ich hoffe sehr, dass ich keine rechtlichen Schritte in Erwägung ziehen muss!
    Mit freundlichen Grüßen,
    Annabell Wingenfeld
    Wenn er sich morgen nicht meldete, würde ich persönlich hinfahren. Sobald ich wieder motorisiert war.
    Ich merkte, dass ich im Begriff war, über dem immer noch aufgeklappten Notebook einzuschlafen. Als ich das Mailprogramm schließen wollte, sah ich, dass noch eine Mail hereingekommen war.
    Sie stammte von Tobias Anders. Er schrieb mir mitten in der Nacht eine E-Mail! Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Aufgeregt las ich:
    Liebe Frau Wingenfeld,
    ich habe gerade Nachtschicht und wollte Sie nur noch rasch informieren, dass wir im Abgleich mit dem von Ihnen erstellten Phantombild eine Reihe infrage kommender Fotos aus unseren Straftäterdateien herausgesucht haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie an einem der folgenden Tage Zeit finden, vorbeizukommen und die Bilder zu prüfen. Rufen Sie mich einfach an, dann können wir einen Termin ausmachen.
    Herzliche Grüße,
    Tobias Anders
    Mein Herz klopfte einen Takt schneller, während meine Augen die Zeilen mehrmals scannten und immer wieder an den Worten Liebe und freuen und Herzliche hängen blieben. Für sich allein betrachtet hätten sie fast nach einem Date klingen können!
    Doch die Wahrheit war natürlich viel profaner. Heutzutage machten auch Polizeibeamte Kurse in Behördenfreundlichkeit. Sie lernten nicht nur, zu schießen und stapelweise Formulare auszufüllen, sondern auch, die Ganoven wie gute Nachbarn und die Bürger wie beste Freunde zu behandeln. Wahrscheinlich war der Tag nicht mehr fern, an dem beim Notruf ein Polizist abhob und sagte: »Herzlich willkommen bei Ihrer persönlichen Notrufzentrale. Mein Name ist Kommissar Freundlich, was kann ich für Sie tun?«
    Trotzdem, die Mail klang irgendwie … nett. Kein bisschen nüchtern. Ob er sich wieder neben mich an den PC setzen würde? Oder hatten sie dort noch diese altmodischen, großen Alben aus Pappe und mit echten Fotos?
    In dieser Nacht träumte ich davon, wie Tobias Anders mir beim Sichten der Verdächtigen half. Er rückte ganz nah an mich heran und zeigte mir einen großen Katalog, in dem es merkwürdigerweise nicht nur jede Menge Fotos von Verbrechern gab, sondern auch von Leuten, die ich kannte. So fand ich gleich auf der ersten Seite ein Foto von Ines, und daneben Abbildungen von diversen Handtaschen und anderen Accessoires, sogar mit Preisangabe, darunter ein paar Pumps zu 1.299,-- €. Ein paar Seiten weiter stieß ich auf

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