Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Eltern und Kinder – wir basteln unsere Schultüten! Dann folgte eine lange Liste des mitzubringenden Bastelzubehörs, mit der Extra-Überschrift: Was wir für unsere schöne Schultüte brauchen .
Angesichts der erdrückenden Indizien sollte ich wohl anfangen, in Betracht zu ziehen, dass alles, was mit Schule zu tun hatte, bei meinem Sohn Brechreiz auslöste. Wenn das bis zum Schulbeginn nicht aufhörte, würde er ein echtes Problem kriegen. Ihn einfach aus therapeutischen Gründen im Kindergarten zu belassen, wäre zwar eine Lösung, aber bestimmt keine, bei der das Schulamt mitmachen würde, schon gar nicht die nächsten zwölf Jahre.
Vielleicht sollte ich der Möglichkeit nähertreten, dass mein Sohn eine Therapie brauchte. Eine Überweisung zum Kinderpsychologen würde dieser Stümper von Kinderarzt ja wohl noch ausfüllen können.
Nach dem Mittagessen bei McDonald’s ließ ich an der Theke für den Rest der Familie Chicken McNuggets einpacken und brachte Timo nach Hause. Anschließend brach ich sofort wieder auf. Ich hatte entschieden, die Auseinandersetzung mit Fritz Jück keine Minute länger aufzuschieben, zumal nun noch die Sache mit dem Gerüst dazugekommen war. Eigentlich hatte ich schon am Vortag hinfahren wollen, doch Benedikt hatte dringend das Auto gebraucht.
Als ich vor dem Gelände der Firma Jück ankam, stand das Tor zum Betriebshof offen. Ich fuhr bis zum Firmengebäude, einem kleinen Flachbau, doch dort war die Eingangstür verschlossen. Ich klingelte mehrmals und spähte durch die Fenster in die Büroräume, aber drinnen war keine Menschenseele zu sehen. Auch auf dem Betriebshof hielt sich niemand auf. Ich rüttelte am Tor der angrenzenden Halle und lauschte, aber es war kein Laut zu hören. Ich sah weder Fahrzeuge noch Maschinen; nur ein einsamer, ziemlich verrosteter Gabelstapler stand vor dem Hallentor. Entlang der Mauer, die das Gelände umgab, standen mit dicken Planen abgedeckte Paletten, möglicherweise waren das Dachpfannen. Ob sich auch meine darunter befanden, ließ sich ohne genauere Prüfung nicht beurteilen. Nicht, dass mir das irgendwas genützt hätte – schließlich konnte ich sie schlecht allein auf mein Dach befördern.
In diesem Moment tat sich knarrend das Hallentor auf, und ins Freie trat der Arbeiter, der sich zuletzt bei mir hatte blicken lassen. Er schob sein Fahrrad vor sich her und lächelte verbindlich, als er mich sah.
Erleichtert eilte ich ihm entgegen. »Guten Tag. Wo ist Fritz Jück? Ich muss ihn dringend sprechen!«
»Fritz Urlaub«, sagte der Arbeiter fröhlich. Er zeigte auf sein Fahrrad. »Ich auch Urlaub. Nur hol Fahrrad.«
»Wie kann Herr Jück Urlaub machen?«, rief ich entsetzt. »Er muss mein Dach decken! Es könnte regnen!«
»In Santo Domingo«, sagte der Arbeiter.
»Nein, es kann hier regnen! Direkt in mein Dach!«
»Fritz Santo Domingo.«
O mein Gott. Der Dachdecker hatte sich davongemacht. Er hatte sein Firmenmotto befolgt und sich auf Jück begeben. In die Karibik. Mit meinem Geld! Abgesehen davon, dass es mir überhaupt nicht gehörte, sondern nur geborgt war. Ich war ruiniert.
Die Axt im Haus erschlägt den Zimmermann.
(Friedrich Schiller, Wilhelm Tell; abgewandelt)
»Du hättest damit rechnen müssen«, meinte Leonardo di Caprio. Wir standen in meinem Garten und betrachteten mein Dach. Es wirkte seltsam nackt und schutzlos ohne die Pfannen.
»Ich verstehe nicht, wie du so was sagen kannst!«, beschwerte ich mich. »Wie hätte ich das voraussehen können?«
»Er hatte diesen roten Anzug an. Ich meine, welcher korrekte Handwerker trägt rote Anzüge? Das fand ich gleich verdächtig.«
»Du warst doch überhaupt nicht dabei!«
»Ich habe meine Kontakte.«
Er nahm eine Art Fernbedienung (bei genauerem Hinsehen sah ich, dass es mein USB-Stick war; ob mein Hund zu seinen Kontakten gehörte?) und richtete sie nach oben.
»Tu das nicht«, flehte ich. »Mach mir nicht mein Dach kaputt!«
»Wer sagt denn, dass ich dein Dach kaputt machen will?« Er lächelte mich an. »Ganz im Gegenteil. Dieses Ding hier ist ein elektronischer Regenzurückhalter.«
Das musste was ganz Neues sein, ich hatte noch nie von so einem Gerät gehört. Aber Traumarchitekten wie Leonardo di Caprio waren natürlich immer auf dem neuesten Stand der Technik.
»Wenn ich hier auf diesen roten Knopf drücke, wird der Regen angehalten. Schau nur hin, es ist höchste Zeit!«
Er hatte recht, der Himmel hatte sich pechschwarz zugezogen. Es war nur noch eine Sache von
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