Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
und kaputt herauszuhören. Ich verschob die USB-Rückholaktion auf später und rannte ins Haus zurück, wo mir ein durchnässter Gronauer-Cousin entgegenkam und mir mitteilte, dass sie gerade das Wasser hatten abstellen müssen. Leider könne es bis zum Abend dauern. Die gute Nachricht sei, dass die Reparatur des Rohrbruchs mich keinen Cent extra kosten würde, weil dieses Malheur auf ein kleines handwerkliches Versehen seinerseits zurückzuführen sei.
Meine Mutter schrie in der Küche Zeter und Mordio. Sie stand über die Spüle gebeugt, den Kopf voller Schaum, jäh beim Haarewaschen unterbrochen. Ich griff zum Telefon, um Frau Hegemann anzurufen und fünf Minuten Badezimmerbenutzung für meine Mutter auszuhandeln, als mein Handy klingelte. Es war der Kindergarten, Timo hatte sich wieder übergeben.
»Ich komme sofort!«, rief ich. Wenigstens hatte ich jetzt einen Grund, das Haus zu verlassen und mich für eine Weile in lärmloser Umgebung aufzuhalten. Die Reparaturrechnung für den Wagen war zwar horrend hoch ausgefallen, aber dafür fuhr er wieder völlig ratterfrei.
Als ich meine Handtasche holte, fing im Treppenhaus einer der Stuckateure an, Putz von der Wand zu stemmen. Sie waren fast fertig damit, es fehlten nur noch ein paar Quadratmeter. Zementbrocken flogen durch die Luft und blieben in meinen Haaren hängen.
»Wir arbeiten heute Mittag ausnahmsweise mal durch!«, brüllte mir der Chef der Truppe zu.
Wieder klingelte mein Handy, im Display stand eine fremde Nummer. Wegen des Krachs konnte ich mein eigenes Wort nicht verstehen. Ich musste drei Mal nachfragen, bis ich herausbekommen hatte, wer der Anrufer war: Der Inhaber einer mir völlig unbekannten Gerüstherstellungsfirma. Nach lautstarkem Hin und Her reimte ich mir sein Anliegen wie folgt zusammen: Er habe der Firma Jück mehrere Gerüste verkauft, unter anderem das, was sich zufällig an meinem Haus befand. Leider sei die Firma Jück einen Teil vom Kaufpreis schuldig geblieben, weshalb es nun um die Herausgabe des Gerüstes gehe. Bedauerlicherweise sei es ihm gesetzlich nicht erlaubt, einfach mein Grundstück zu betreten und das Gerüst abzubauen. Dazu müsse ich mein Einverständnis geben. Ob ich was dagegen hätte, wenn seine Männer morgen im Laufe des Tages vorbeikämen und das Gerüst abholten?
»Aber das Dach ist doch noch gar nicht gedeckt!«, wandte ich ein. »Und der Außenputz dauert auch noch ein paar Tage!«
»Das müssen Sie mit Ihren Handwerkern klären. Wir wollen nur unser Gerüst.«
»Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt«, erklärte ich. Wie gut, dass Ines mir bei ihrem Besuch neulich ihre Karte da gelassen hatte!
In diesem Augenblick breitete sich zum ersten Mal das ungute Gefühl in mir aus, dass mir die ganze Sanierung vielleicht über den Kopf wuchs.
*
Timo hatte sich diesmal in eine Schüssel übergeben. Die Kindergartentante hatte vorausschauend eine bereitgestellt, weshalb sich der Schaden in Grenzen hielt. Eine der Mütter hatte allerdings noch wegen des letzten Malheurs eine Nachricht für mich hinterlassen, sie wollte die Adresse von meiner Haftpflichtversicherung wissen, weil Timo die nagelneuen Roberto-Cavalli-Schuhe ihrer Tochter bekotzt hatte. Ich fragte die Kindergartentante, welche Leute ihren vierjährigen Kindern Edeltreter kauften, die höchstens drei Monate lang passten, worauf ich erfuhr, dass besagte Mutter Prozente bekam, weil ihre Cousine Beziehungen hatte. Natürlich wollte sie trotzdem den regulären Kaufpreis, denn sie konnte ja nicht andauernd von ihrer Cousine Rabatt für neue Schuhe verlangen.
Timo ging es schlagartig besser, als wir im Auto saßen.
»Ich hab ganz dollen Hunger«, erklärte er.
Den Kinderarzt konnte man sowieso vergessen. Also sollte ich ruhig mit Timo eine Kleinigkeit essen gehen, zumal es zu Hause ohnehin kein Wasser zum Kochen gab.
»Worauf hättest du denn Appetit, mein Kleiner?«, fragte ich. Vorbeugend schränkte ich ein: »Aber diesmal nichts vom Burger King!«
»Chicken McNuggets«, kam es prompt zurück.
Auf dem Weg zu McDonald’s begann ich vorsichtig, ihn wegen seiner heutigen Kotzattacke auszufragen. »Wann genau ist dir denn schlecht geworden, Timo? Weiß du noch, was du da gerade gemacht hast?«
»Die Liste in meine Tasche gesteckt.«
»Was für eine Liste?«
»Die in meiner Tasche.«
Die Liste wurde aus der Kindergartentasche gekramt und stellte sich als Einladung zum Eltern-und-Kind-Basteltag heraus. Die Überschrift lautete: Kreativer Spaß für
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