Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
verrückten und überall Nägel und Farbeimer und Spachtel herumliegen ließen. Eine Tochter, die Liebeskummer hatte. Ein Sohn, der auf ewig im Kindergarten bleiben wollte und seine Schultüte hasste, ein weiterer Sohn, der vielleicht gerade aus Versehen Vater wurde, und ein Hund, der Würmer hatte und entlaufen war.
Von all dem anderen, zum Beispiel dem ungedeckten Dach, den geplatzten Schriftstellerträumen und den scheußlichen Kopfschmerzen ganz zu schweigen. Ich war total am Ende.
»Du bist total am Ende«, sagte Berit. »Besser, du fährst heim und legst dich aufs Ohr.«
Wie immer konnte sie meine Gedanken lesen. Eine bessere Freundin als sie gab es nicht. Immerhin das war mir geblieben.
»Rainer kommt doch erst um zwölf zurück«, protestierte ich, aber es klang halbherzig. »Die Zeit müssen wir noch ausnutzen.«
»Das holen wir beim nächsten Mal nach. Jetzt brauchst du vor allen Dingen Schlaf. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.«
Wenn sie sich da mal nicht irrte. Wir umarmten uns zum Abschied, dann schlurfte ich schlapp zu meinem Wagen und fuhr heim. Wenigstens war der Hund wieder da. Er lag in seinem Korb in der Diele. Als er mich sah, winselte er nur kurz und schlief weiter.
Auch alle anderen hatten sich schon zurückgezogen, nur Helga werkelte noch in der Küche herum. Es roch nach angebranntem Steak.
»Sie wollte es ja unbedingt allein machen«, sagte Helga. »Und es kam, wie es kommen musste. Sie hat es ruiniert.«
»Und der Professor?«
Helga schaute ergrimmt drein. »Hat alles aufgegessen.«
»Vielleicht hatte er nicht so hohe Ansprüche«, sagte ich erschöpft.
»Nein, er hatte vorher drei große Aperitifs, die aus purem Wodka bestanden, da schmeckt hinterher jeder Fraß.« Sie musterte mich. »Du siehst schlecht aus.«
»Ich fühl mich auch schlecht.«
»Schlecht im Sinne von krank oder von depressiv?«
»Mir ist abwechselnd heiß und kalt, mein Kopf tut weh, und meine Beine fühlen sich an wie Gummi.«
Helga nickte, als hätte sie es gewusst. »Die typischen Beschwerden. Genauso haben meine Wechseljahre damals auch angefangen.«
O mein Gott! Wechseljahre! Die waren im Saldo meiner miesen Befindlichkeiten noch gar nicht einkalkuliert! Beim Zähneputzen schaute mir aus dem Spiegel ein hohläugiges, bleiches, sehr alt aussehendes Gespenst entgegen. Mein Elend nahm ungeahnte Ausmaße an, während ich mich entkräftet ins Bett beziehungsweise aufs Sofa schleppte und unter die Decke kroch, mit dem einzigen Wunsch, nie wieder aufwachen zu müssen.
Bau, schau wie.
(Sprichwort; abgewandelt)
»Okay, das hast du jetzt davon«, sagte Leonardo di Caprio. »Du wolltest ja unbedingt ein neues Dach.« Er hatte eine Badehose an und lag auf einer Liege am Strand, einen großen eisgekühlten Tequila Sunrise auf dem Waschbrettbauch balancierend. Ich wusste genau, dass dies nur eine Traumwelt war, und ich war davon überzeugt, dass es seine war, denn alles war unglaublich bunt und plastisch, so farbenfroh konnte ein normaler Mensch nicht träumen. Ich konnte sogar die winzigen Speichen von dem rosa Papierschirmchen sehen, das in der Fruchtgarnitur des Drinks steckte. Und das Meer war so türkisblau, dass es fast in den Augen wehtat. Auch Leonardo sah fantastisch aus, braun gebrannt und durchtrainiert von Kopf bis Fuß, und das von der Sonne ausgebleichte Haar hing ihm verwegen in die Stirn.
Ich hätte mich wirklich in diesem Traum wohlfühlen können, hätte ich nicht so einen bescheuerten Badeanzug angehabt, einen Fehlkauf vom vorletzten Sommer. Das Teil hatte mir schon in der Umkleidekabine nicht richtig gepasst, aber ich hatte irrtümlich angenommen, ich würde noch reinschrumpfen.
Störend an dem Traum war auch, dass der Boden leise unter meinen Füßen vibrierte. Der Sand begann, unter meinen Zehen wegzurutschen. Leonardo stand lässig von der Liege auf und kam auf mich zu geschlendert. »Ich glaube, ich mache mich mal vom Acker«, sagte er. »Es kann sich nur noch um Sekunden handeln, bis es wieder losgeht.«
»Du kannst mich doch nicht in deinem Traum allein lassen«, widersprach ich.
»Sorry, aber für solche harten Actionszenen springt mein Stuntman ein. Außerdem ist es dein Traum, irgendwie wirfst du das immer durcheinander.« Er winkte mir fröhlich zu und verschwand hinter einer Palme. Das Vibrieren unter meinen Füßen verwandelte sich in ein Rütteln, und von Ferne hörte ich wieder das Rumoren, das untrüglich eine größere Katastrophe einleitete.
Ich wollte
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