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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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legte mir die Hand auf die Stirn. »Du bist krank. Du hast hohes Fieber!«
    Sie war sofort in ihrem Element und kochte mir Erkältungstee. Während der schwach stinkend vor sich hinzog, bügelte sie in Sichtweite von mir und Rock Hudson meine Blusen (die eigentlich bügelfrei waren, aber in dem Punkt duldete Helga keine Debatte), machte Timo für den Kindergarten fertig und sorgte dafür, dass Benedikt ihn hinbrachte, bevor er mit Sophie zur Schule fuhr. Außerdem zwang sie meine Mutter, das Treppenhaus zu putzen (»Ich weiß , dass es in ein paar Stunden wieder genauso dreckig sein wird, aber Dreck hat es nun mal so an sich, dass er immer wiederkommt, und es zeugt von Disziplinlosigkeit und Bequemlichkeit, das Putzen hinauszuschieben, nur weil man die Handwerker im Haus hat!«), und sie wärmte für die Installateure, die gerade im oberen Bad die restliche Fliesen verlegten, Wiener Würstchen auf.
    Außerdem telefonierte sie mit dem Waschmaschinenservice (»Was soll das heißen, dass Sie erst morgen kommen können? Machen Sie Witze? Wir hatten gestern ausgemacht, dass Sie so schnell wie möglich kommen!«), danach befahl sie Spike, den Hundenapf leer zu fressen (»Das ist ein gutes Fressi, mit leckerer Medizin gegen die bösen Würmer, und jetzt friss endlich, du missratene Töle!«) und tat auch sonst alles was nötig war, um den Haushalt am Laufen zu halten. Ihre Stimme war so durchdringend, dass es unmöglich war, ihr Engagement zu überhören.
    Die gelegentlichen Einwände meiner Mutter (»Also ich finde durchaus, dass die Treppe jetzt sauber genug ist, und außerdem muss ich dringend mal in Ruhe telefonieren!«) wurden nicht zugelassen.
    Als Helga in der Küche das Mittagessen zubereitete, kam meine Mutter zu mir ins Wohnzimmer. »Keine Sorge«, flüsterte sie und stach mit einem bunten Staubwedel in die Luft. »Ich weiß genau, was du jetzt brauchst, und ich werde es dir beschaffen!«
    Helga kam dazu. »Was tust du hier?«
    »Nichts.« Meine Mutter feudelte Rock Hudsons Kopf ab und lächelte Helga an. »Nur ein bisschen für Ordnung und Hygiene sorgen.«
    Helga steckte mir ein Fieberthermometer ins Ohr und wartete. Das Ergebnis bekam ich nicht mehr mit, ich war zu müde und schlief während des Messvorgangs ein.
    *
    »Sie hat fast vierzig Fieber«, hörte ich meine Mutter sagen.
    »Das ist ziemlich hoch«, erwiderte eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Widerwillig öffnete ich meine verklebten Augen und sah, dass Besuch gekommen war. Um Gottes willen, auch das noch!
    »Ich habe dir einen Arzt bestellt«, sagte meine Mutter stolz.
    Im Türrahmen stand Helga und betrachtete den Neuankömmling mit sichtlichem Missfallen. Offenbar fühlte sie sich in ihrer pflegerischen Kompetenz beschnitten.
    »Mutter«, sagte ich krächzend. »Das ist ein Proktologe.«
    »Proktologen sind auch Ärzte«, meinte meine Mutter.
    »Das stimmt«, sagte Bertold Kracht. »Für alle guten Verrichtungen zuständig.« Er lachte wiehernd, setzte sich in einen Sessel und schlug die Beine übereinander. »Ich könnte einen Kaffee vertragen.«
    »Müssen Sie nicht arbeiten?«, fragte ich dumpf.
    »Ich habe heute frei.«
    Ich hätte mir gern die Decke über den Kopf gezogen und weitergeschlafen, doch Bertold hielt mich wach, indem er mich über meine Symptome ausfragte. Anschließend erklärte er, dass ich einen grippalen Infekt hätte und viel Ruhe bräuchte.
    Meine Mutter brachte Kaffee. »Kann sein, dass er ein bisschen zu stark ist«, sagte sie. »Annabells Schwiegermutter hat ihn gemacht, der Messlöffel ist ihr ausgerutscht.«
    »Tatsächlich, so tiefschwarz wie die Nacht«, sagte Bertold.
    Bevor er das in den nächsten Proktologenwitz umwandeln konnte, führte Helga mit triumphierendem Lächeln einen weiteren Besucher ins Wohnzimmer.
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Tobias Anders.
    »Nein, ganz bestimmt nicht«, krächzte ich. Ich war überglücklich, ihn zu sehen, obwohl ich mich ein bisschen wegen meines Aussehens sorgte. Doch schlimmer als nach der Notoperation sah ich bestimmt nicht aus, und damals war er ja auch nicht schreiend aus dem Zimmer gelaufen.
    »Ich hätte da ein paar wichtige dienstliche Fragen und muss Sie daher bitten, uns allein zu lassen«, sagte er zu Bertold.
    »Sind Sie ein Kollege?«, wollte Bertold stirnrunzelnd wissen.
    »Ja. Sofern Sie bei der Kripo sind.«
    »Ach so. Na ja, ich kann ein paar Minuten draußen warten.«
    »Es kann aber länger dauern«, sagte Tobias.
    »Sie können wirklich schon gehen«,

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