Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
ergänzte ich. »Ich fühle mich nämlich schon fast wieder gesund.«
Das war nicht mal gelogen. Jedenfalls nicht sehr. Tobias’ Auftauchen wirkte sich so belebend auf mein Befinden aus, dass ich mich sogar ohne Schwindelanfälle hinsetzen konnte.
Meine Mutter begleitete den beleidigt dreinschauenden Bertold zur Haustür. Helga brachte für Tobias frischen Kaffee, der weder zu stark noch zu schwach, sondern genau richtig war.
»Ich hoffe, es ist recht so«, sagte sie.
Ich nickte dankbar, obwohl ich nicht sicher war, ob sie mit mir oder mit Tobias gesprochen hatte.
»Ich habe in Wahrheit gar keine Fragen«, sagte Tobias, nachdem sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte. »Ich wollte nur mal schauen, wie es dir geht. Deine Schwiegermutter hat mich angerufen und erzählt, dass du krank bist.«
»Das stimmt. Ich habe einen grippalen Infekt. Jedenfalls hat das der Proktologe behauptet.« Ich versuchte ein Lachen, aber es fiel ziemlich zittrig aus, weil ich plötzlich Herzrasen hatte, und zwar von der Sorte, die garantiert nicht von der Grippe kommt.
»Deine Schwiegermutter hat mir erzählt, dass eure Waschmaschine kaputt ist«, sagte er. »Wenn du willst, sehe ich sie mir mal an.«
»Die Waschmaschine?«, fragte ich selten dämlich zurück. Es konnte nur am Fieber liegen, dass mir keine bessere Antwort eingefallen war. Zum Glück fand er es witzig und lachte. »Ja. Ich habe nämlich dasselbe Modell zu Hause. Die Waschmaschine. Nicht die Schwiegermutter.«
»Du bist … äh, nicht verheiratet, oder?«, erkundigte ich mich, nachdem er das Thema schon mal angeschnitten hatte.
»Geschieden«, sagte er. »Seit acht Jahren.«
»Das tut mir leid«, sagte ich, was glatt gelogen war.
Er hob die Schultern. »Silvia musste beruflich ins Ausland, nach Brüssel, als EU-Beamtin. Aus der Wochenendehe wurde eine Einmal-im-Monat-Ehe, und dann kam sie gar nicht mehr nach Hause. Sie hatte einen französischen Abgeordneten kennengelernt.«
Diese Silvia musste einen an der Waffel haben. Was konnte dieser Franzose schon haben, was Tobias nicht hatte?
Er schien zu ahnen, was ich dachte. »Der Typ ist stinkreich.«
»Ich kann nicht glauben, dass eine Frau dich wegen Geld verlässt!«, widersprach ich im Brustton der Überzeugung.
Er warf mir einen nachdenklichen Blick zu. »Bestimmt hat er noch andere Qualitäten, die ich nicht habe.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, platzte ich heraus.
Er grinste. »Du hast mich noch nicht kochen sehen.«
»Kochen wird oft überbewertet.«
»Vielleicht hast du recht.« Er wechselte das Thema. »Sag mal, wie geht es eigentlich mit deinem Dach weiter?«
Voller Dankbarkeit, dass sich endlich mal jemand dafür interessierte, erzählte ich ihm von meinem Reinfall mit Ines. »Du kennst nicht zufällig einen guten Anwalt, der nicht zu teuer ist?«, erkundigte ich mich hoffnungsvoll.
»Ich kenne eine Menge Anwälte, das bringt mein Job so mit sich. Ein paar davon sind richtig gut. Und mit einem spiele ich sogar Fußball. Wenn du willst, hör ich mich mal um.«
»Das wäre super!« Am liebsten hätte ich einen Freudensprung gemacht, doch dafür war ich noch zu schlapp. Tobias merkte es und stand auf. »Jetzt kümmere ich mich mal um die Waschmaschine.«
Anschließend döste ich trotz des unaufhörlichen Handwerkerlärms wieder ein. Ich träumte, dass ich alles nur geträumt hatte, inklusive Tobias’ Besuch. Aber irgendwann kam Helga herein und meinte zufrieden: »Jetzt läuft sie wieder tadellos. Ich wusste , dass der Mann eine praktische Ader hat.«
»Wo ist er denn?«, fragte ich, noch ganz verschlafen, aber gleichzeitig sehr glücklich, dass es doch kein Traum gewesen war.
»Gegangen. Schon vor einer Stunde. Er wollte dich nicht mehr stören. Aber er war garantiert nicht zum letzten Mal hier, verlass dich drauf.«
Mit dieser verheißungsvollen Auskunft im Ohr schlief ich wieder ein.
*
Ich brauchte ein paar Tage, bis ich wieder auf den Beinen war. Jens rief drei Mal aus der Redaktion an und wollte wissen, wie es mir ging. Nicht, weil er sich solche Sorgen um mich machte, sondern weil er fand, dass ich mich in letzter Zeit überdurchschnittlich häufig im Krankenstand befand und weil er der Ansicht war, dass man mit einer einfachen Erkältung problemlos auch zu Hause arbeiten konnte. Der Artikel über Gewalt gegenüber Frauen sei fest für das nächste Wochenende eingeplant, das hätte er Herrn Huber schon angekündigt und wolle ihn nicht enttäuschen. Von
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