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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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zu ihr hinunter und lege meine Lippen an ihr Ohr. Mein Atem lässt die weichen Haare dort erzittern. »Als ich dich das erste Mal gesehen habe, mit Kaede in dem Skiz-Ring, da dachte ich, das ist das schönste Mädchen der Welt. Ich hätte dich ewig anstarren können. Und als ich dich das erste Mal geküsst habe …« Dieser Blick in die Vergangenheit überwältigt mich ganz unerwartet. Ich erinnere mich an jede Kleinigkeit, so genau, dass das Bild, wie der Elektor June an sich zieht, beinahe aus meinem Kopf verdrängt wird. »Na ja, es war, als wäre es mein erster Kuss überhaupt gewesen.«
    Selbst in der Dunkelheit sehe ich, wie sich die Andeutung eines Lächelns auf ihr Gesicht stiehlt. »Wow. Du bist wirklich ein Charmeur.«
    Ich werfe ihr einen gekränkten Blick zu. »Süße, wie könnte ich dich jemals anlügen?«
    »Versuch’s lieber gar nicht erst. Ich würde dich sofort durchschauen.«
    Ich lache leise. »Siehst du.«
    Unsere Worte klingen locker, beinahe unbeschwert, aber wir spüren beide die Anspannung dahinter, den angestrengten Versuch, zu vergessen, zu verdrängen. Die Folgen der Worte, die keiner von uns beiden je wieder zurücknehmen kann.
    Ein paar Minuten bleiben wir so sitzen. Dann packe ich unsere Sachen zusammen, hebe June vorsichtig auf meinen Arm und mache mich wieder auf den Weg durch den Tunnel.
    Meine Arme sind mittlerweile ziemlich zittrig, und wenn ich Luft hole, klingt es mehr wie ein Keuchen. Nichts deutet darauf hin, dass irgendwo vor uns ein anderer Bunker liegt. Trotz der Feuchtigkeit und Kälte im Tunnel schwitze ich wie in Los Angeles im Hochsommer – ich muss immer öfter Pause machen, bis ich mich schließlich in einem trockenen Tunnelabschnitt gegen die Wand sinken lasse.
    »Nur kurz verschnaufen«, sage ich zu June, als ich ihr Wasser zu trinken gebe. »Ich glaube, wir sind fast da.«
    Genau wie sie es prophezeit hat, durchschaut sie meine Lüge sofort. »Wir können nicht mehr weiter«, murmelt sie schwach. »Lass uns hier Rast machen. So hältst du keine Stunde mehr durch.«
    Ich winke ab. »Dieser Tunnel muss irgendwohin führen. Wir sind mittlerweile bestimmt schon auf der anderen Seite der Front und das heißt, wir befinden uns auf Koloniegebiet.« Ich halte inne, als mir die Bedeutung meiner Worte klar wird, und ein Schauer läuft mir über den Rücken. Koloniegebiet.
    Wie aufs Stichwort ertönt plötzlich ein Geräusch von weit oben, irgendwo außerhalb des Tunnels, zu uns herunter. Ich halte die Luft an. Eine Weile lauschen wir in die Stille, dann kommt das Geräusch wieder – ein dröhnendes Brummen dringt gedämpft durch die Erde, wie von irgendetwas sehr Großem.
    »Ist das ein Luftschiff da draußen?«, fragt June.
    Das Geräusch ebbt ab, doch im selben Moment weht ein eisiger Luftzug durch den Tunnel. Ich blicke nach oben.
    Ich war zu erschöpft, um es früher zu sehen, jetzt aber erkenne ich einen dünnen, rechteckigen Umriss aus Licht. Ein Ausgang an die Oberfläche. Es gibt sogar mehrere davon in regelmäßigen Abständen; wir müssen schon seit einer ganzen Weile darunter laufen. Ich zwinge mich aufzustehen und lasse den Finger über den Spalt gleiten. Glattes, eiskaltes Metall. Ich drücke versuchsweise dagegen.
    Es bewegt sich. Ich drücke stärker und beginne, das Metall zur Seite zu schieben. Obwohl ich sofort sehe, dass draußen Nacht herrscht, ist das Licht, das nun in den Tunnel fällt, mehr, als wir die letzten paar Stunden gehabt haben, und bringt mich zum Blinzeln. Ich brauche einen Moment, bis ich begreife, dass mir etwas Kaltes, Leichtes ins Gesicht rieselt. Verwirrt versuche ich es wegzuwischen, doch dann wird mir klar, dass es – zumindest glaube ich das – Schneeflocken sind. Mein Herz schlägt schneller. Als ich die Metallplatte so weit wie möglich zur Seite geschoben habe, schlüpfe ich aus meiner Republikjacke. Besser nicht riskieren, gleich von Soldaten über den Haufen geschossen zu werden, wo wir doch gerade erst im gelobten Land angekommen sind.
    Nur noch in Hemd und Weste springe ich hoch, packe mit zitternden Armen die Kanten der Öffnung und stemme mich halb hindurch, um zu sehen, wo wir sind. Eine Art dunkler Korridor. Keiner da. Ich lasse mich wieder hinuntergleiten und nehme Junes Hand, doch sie ist abermals kurz davor einzunicken.
    »Bleib bei mir«, murmele ich und lege die Arme um sie. »Versuch dich hochzuziehen.«
    June wickelt sich aus der Decke. Ich knie mich hin und helfe ihr, auf meine Schultern zu klettern. Sie wankt

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