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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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der Soldaten spricht in sein Headset. »Ja«, sagt er. Eine kurze Pause, dann: »Wir bringen sie in eine Zelle. DesCon wird eine ganze Menge Informationen aus ihr herausholen können. Und sobald wir Day in die Finger kriegen, schicken wir ihn euch auch zum Verhör vorbei.« Ein anderer Soldat hält mit seinem Stiefel die Tür auf. Sie warten auf eine Bahre, denke ich, damit sie mich mitnehmen können. Das bedeutet, mir bleiben wahrscheinlich nicht mehr als zwei oder drei Minuten, um hier rauszukommen.
    Ich beiße auf meinen Knebel, kämpfe gegen die Übelkeit an und schlucke. Meine Gedanken und Erinnerungen rasen durcheinander. Ich blinzele und frage mich, ob ich vielleicht halluziniere. Die Patrioten wurden von der Republik beauftragt. Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen? Es war so offensichtlich, von Anfang an – die teure Einrichtung in Razors Quartier, die Art, wie problemlos er uns von A nach B befördern konnte, ohne dass wir geschnappt wurden.
    Jetzt beobachte ich den Soldaten, der weiter in sein Headset spricht. Wie soll ich Day warnen? Er muss durch die Balkontür verschwunden sein – und wenn er zurückkommt, werde ich weg sein und die Soldaten werden auf ihn warten, um ihn zu verhören. Sie könnten sogar auf die Idee kommen, wir wären Republikspione. Immer wieder streiche ich über meinen Büroklammerring.
    Der Büroklammerring.
    Meine Finger verharren. Dann schiebe ich den Ring Stück für Stück von meinem Finger und versuche, die verflochtenen Drähte voneinander zu lösen. Ein Soldat wirft mir einen Blick zu, doch ich schließe die Augen und gebe durch meinen Knebel ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen von mir. Er wendet sich wieder seinem Gespräch zu. Ich lasse meine Finger über die spiralförmig gedrehten Drähte gleiten. Sie sind sechsfach umeinandergewickelt. Ich löse die ersten Windungen und streiche sie glatt, dann biege ich sie zu einer Art in die Länge gezogenem Z. Die Muskeln in meinen Armen verkrampfen sich schmerzhaft bei der Bewegung.
    Plötzlich hört einer der Soldaten auf dem Balkon auf zu reden und blickt auf die Straße hinunter. Eine Weile verharrt er an der Brüstung und seine Augen suchen die Umgebung ab. Wenn er Day gehört hat, muss dieser gleich wieder verschwunden sein. Der Soldat blickt zu den Dächern hinauf, dann verliert er das Interesse und nimmt seinen Posten wieder ein. Irgendwo weit weg auf dem Krankenhausflur höre ich Schritte und das unverkennbare Rattern von Rädern auf dem Fliesenboden. Sie bringen eine Bahre.
    Ich muss mich beeilen. Ich stecke die Enden der verbogenen Büroklammern in das Schloss meiner Handschellen. Meine Arme tun höllisch weh, aber ich habe keine Zeit, um ihnen eine Pause zu gönnen. Vorsichtig bewege ich die Drähte im Schloss hin und her, ich spüre, wie sie über Metall kratzen, bis sie schließlich die Sperre treffen. Ich drehe die Büroklammern herum und schiebe die Zuhaltung zur Seite.
    »DesCon ist mit Verstärkung unterwegs«, murmelt einer der Soldaten. Noch während er redet, bewege ich die Büroklammern weiter und höre, wie das Schloss ein beinahe lautloses Klicken von sich gibt. Zwei Soldaten und eine Krankenschwester schieben die Bahre in mein Zimmer, bleiben einen Moment im Türrahmen stehen und rollen sie dann zu mir herüber. Das Schloss meiner Fesseln springt auf – ich fühle, wie sie leise klirrend von meinen Händen gleiten. Ein Soldat fixiert mich mit milchig blauen Augen und verzieht misstrauisch seine dicken Lippen. Er hat meinen leicht veränderten Gesichtsausdruck bemerkt und vermutlich auch das Klirren gehört. Sein Blick wandert zu meinen Armen.
    Wenn ich einen Fluchtversuch unternehmen will, dann ist das hier meine einzige Chance. Mit einem Ruck rolle ich mich auf die Seite und springe auf. Die Ketten fallen zurück aufs Bett und meine Füße landen auf dem Boden. Schwindel erfasst mich wie eine Meereswoge, doch es gelingt mir, ihn unter Kontrolle zu halten. Die Soldatin, die ihre Waffe auf mich gerichtet hält, ruft ihren Kameraden eine Warnung zu, aber sie ist zu langsam. Ich versetze der Bahre mit aller Kraft einen Fußtritt – sie kippt um und reißt einen Soldaten mit sich zu Boden. Ein anderer Soldat versucht, mich zu packen, aber ich ducke mich blitzschnell und entwinde mich seinen Händen. Mein Blick ist fest auf den Balkon gerichtet.
    Doch es sind noch drei Soldaten übrig. Sie stürzen auf mich zu. Zweien von ihnen kann ich ausweichen, aber der dritte packt mich von hinten bei den

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