Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
scheint sich wie in Zeitlupe abzuspielen. Die Tür öffnet sich knarzend und Licht fällt herein. Ich springe auf und hebe das Bein. Als die Tür auf mich zuschwingt, landet mein Fuß lautlos auf dem Knauf. Während die Soldaten mit vorgehaltenen Waffen in den Raum stürzen, strecke ich die Arme aus und greife die obere Kante des Türrahmens, indem ich den Knauf als Tritthilfe benutze. Dann ziehe ich mich hoch. Lautlos wie eine Katze hocke ich auf der offenen Tür.
Sie sehen mich nicht. Wahrscheinlich sehen sie in der Dunkelheit hier drinnen überhaupt nichts. Schnell verschaffe ich mir einen Überblick. Thomas führt die Gruppe an, mit Ollie an seiner Seite (überrascht stelle ich fest, dass Thomas als Einziger seine Waffe nicht gezogen hat), gefolgt von vier Soldaten. Draußen vor dem Raum sind noch mehr Soldaten, wie viele, weiß ich nicht.
»Sie muss hier drin sein«, sagt einer von ihnen, die Hand aufs Ohr gepresst. »Sie hatte noch keine Chance, sich in ein Luftschiff zu schleichen. Und Commander DeSoto hat gerade noch mal bestätigt, dass einer seiner Männer gesehen hat, wie sie hier reingegangen ist.«
Thomas antwortet nicht. Ich beobachte, wie er sich um seine eigene Achse dreht und den Raum absucht. Dann wandert sein Blick die Tür hinauf.
Wir sehen uns in die Augen.
Ich springe herunter und reiße ihn zu Boden. In einem Anflug von blinder Wut würde ich ihm am liebsten hier und jetzt mit bloßen Händen das Genick brechen. Es wäre so einfach.
Die anderen Soldaten reißen ihre Waffen herum, doch in all dem Chaos höre ich, wie Thomas einen Befehl herauswürgt. »Nicht schießen! Nicht schießen!« Er greift nach meinem Arm.
Beinahe wäre es mir gelungen, mich loszureißen, zwischen den Soldaten hindurch und aus der Tür zu huschen, dann aber schubst mich einer von ihnen zu Boden. Jetzt sind sie über mir, ein Gewirr von Uniformen, ich spüre, wie meine Arme gepackt werden. Thomas schreit seine Männer noch immer an, sachte zu sein.
Razor hatte recht, was Thomas betrifft. Er wird mich um jeden Preis lebendig an Commander Jameson übergeben.
Schließlich legen sie mir Handschellen an und drücken mich so fest auf den Boden, dass ich mich nicht mehr rühren kann. Über mir höre ich Thomas’ Stimme. Sie zittert. »Schön, Sie wiederzusehen, Ms Iparis. Sie sind verhaftet wegen tätlicher Übergriffe auf Republiksoldaten, Störung der Betriebsabläufe in der Batalla-Zentrale und Befehlsverweigerung. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.« Mir fällt auf, dass er mit keinem Wort meine Zusammenarbeit mit einem gesuchten Verbrecher erwähnt. Er muss also immer noch so tun, als hätte die Republik Day hingerichtet.
Sie zerren mich den Gang hinunter. Als wir hinaus ins Sonnenlicht treten, bleiben mehr als nur ein paar der vorbeigehenden Soldaten stehen und sehen uns an. Thomas’ Männer schubsen mich ohne Umschweife auf den Rücksitz eines wartenden Streifenjeeps, ketten meine Hände an die Tür und legen mir anschließend metallene Beinfesseln an. Thomas setzt sich neben mich und richtet seine Pistole auf meinen Kopf. Lächerlich. Die beiden Soldaten auf den Vordersitzen beobachten mich im Rückspiegel. Sie benehmen sich, als wäre ich eine unberechenbare Waffe – und irgendwie haben sie damit vielleicht sogar recht. Die Ironie lässt mich beinahe laut auflachen. Day befindet sich als Soldat an Bord der RS Dynasty und ich bin die wertvollste Gefangene der ganzen Republik. Wir haben die Rollen getauscht.
Während der Fahrt meidet Thomas meinen Blick, ich aber mustere ihn eingehend. Er wirkt müde, seine Lippen sind fahl und er hat dunkle Ringe unter den Augen. Bartstoppeln bedecken sein Kinn, was mich besonders überrascht – Thomas würde sich normalerweise nie unrasiert in der Öffentlichkeit zeigen. Commander Jameson muss ihn ganz schön in die Mangel genommen haben, weil er mich aus der Batalla-Zentrale hat fliehen lassen. Wahrscheinlich haben sie ihn deswegen sogar verhört.
Die Minuten schleichen dahin. Keiner sagt etwas. Der Soldat am Steuer hat den Blick fest auf die Straße gerichtet und es ist nichts zu vernehmen als das Dröhnen des Motors und die gedämpften Geräusche, die von der Straße hereindringen. Ich könnte schwören, dass die anderen das Hämmern meines Herzens hören. Von meinem Platz aus kann ich den Jeep sehen, der vor uns fährt, hinter der Heckscheibe leuchtet hin und wieder ein Stück weißes Fell
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