Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
bedeutet mir, mich zu beeilen. »Ich bin ein Hacker«, antwortet er flüsternd, während wir rennen. »Ich habe schon öfter hier in der Kommandozentrale gearbeitet. Hab die Sachen ein bisschen neu verkabelt, damit wir es leichter haben.« Er lächelt stolz und entblößt eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne. »Aber das ist noch gar nichts. Warte nur, bis du hörst, was wir mit dem Capitol Tower in Denver gemacht haben.«
Wirklich beeindruckend. Hätte Metias sich den Patrioten angeschlossen, wäre er bestimmt auch Hacker geworden. Wenn er denn noch am Leben wäre.
Wir sprinten den Gang hinunter, bis der Soldat vor einer der Türen stehen bleibt. Stube 4 A. Wieder holt er eine Karte aus der Tasche und zieht sie über den Scanner an der Tür. Mit einem Klicken springt sie ein Stück auf – drinnen im Dunkeln erkenne ich acht Reihen Hochbetten und einen Block Spinde.
Der Hacker wendet sich mir zu. »Razor will, dass du hier wartest, damit du von den richtigen Soldaten geschnappt wirst. Er hat eine ganz bestimmte Einheit im Sinn.«
Natürlich, das klingt logisch. Wie es aussieht, hat Razor tatsächlich einen Plan, der verhindern soll, dass ich zu Brei geschlagen werde, wenn irgendeine Republikstreife mich aufgreift. »Wer –«, beginne ich.
Doch bevor ich meine Frage beenden kann, tippt der Soldat sich schon an die Uniformmütze. »Wir werden deine Mission über die Kameras beobachten. Viel Glück«, flüstert er. Dann huscht er eilig den Flur hinunter, bis er schließlich um eine Ecke biegt und ich ihn nicht mehr sehen kann.
Ich hole tief Luft. Ich bin allein. Jetzt kann ich nur noch abwarten, bis die Soldaten kommen, um mich festzunehmen.
Schnell gehe ich in den Raum und schiebe die Tür hinter mir zu. Drinnen ist es stockdunkel – es gibt keine Fenster, nicht mal unter der Tür dringt ein Streifen Licht hindurch. Auf jeden Fall ein glaubwürdiges Versteck. Ich gehe nicht weiter in den Raum hinein, denn ich weiß auch so, was mich dort erwartet: reihenweise Hochbetten und ein Gemeinschaftswaschraum. Also lehne ich mich gleich neben der Tür an die Wand. Es ist wohl das Beste, wenn ich hierbleibe.
In der Dunkelheit strecke ich die Hand aus und ertastete den Türknauf. Mithilfe meiner Finger messe ich den Abstand zwischen Knauf und Fußboden (108 Zentimeter). Der Abstand zum oberen Türrahmen dürfte genauso groß sein. Ich stelle mir vor, wieder draußen im Flur zu stehen, und versuche, den Abstand zwischen oberem Türrahmen und Decke abzuschätzen. Er dürfte knapp sechzig Zentimeter betragen.
Okay. Jetzt habe ich alle Details, die ich brauche. Ich lehne mich zurück an die Wand, schließe die Augen und warte.
Zwölf Minuten vergehen.
Dann bellt irgendwo draußen auf dem Gang ein Hund.
Ich reiße die Augen auf. Ollie! Sein Bellen würde ich überall erkennen – mein Hund ist am Leben. Am Leben, wie durch ein Wunder. Freude und Verwirrung durchströmen mich. Wie zum Teufel kommt er hierher? Ich presse mein Ohr an die Tür und lausche. Ein paar Sekunden lang herrscht Stille. Dann höre ich wieder das Bellen.
Mein weißer Schäferhund ist hier.
Jetzt überschlagen sich meine Gedanken. Die einzige Erklärung für Ollies Auftauchen ist, dass eine Einheit ihn mit hierhergebracht hat – die Einheit, die mich festnehmen soll. Und es gibt nur einen Soldaten, der auf die Idee kommen würde, mich mithilfe meines eigenen Hundes aufzuspüren: Thomas. Die Worte des Hackers kommen mir wieder in den Sinn. Razor wolle, dass ich von den richtigen Soldaten geschnappt werde. Er habe eine ganz bestimmte Einheit im Sinn.
Natürlich, diese Einheit – die Person –, die Razor im Sinn gehabt hat, kann nur Thomas sein.
Dann muss Commander Jameson diejenige gewesen sein, die ihm den Auftrag gegeben hat, mich aufzuspüren. Und er benutzt Ollie dafür. Doch von all den Einheiten, die mich festnehmen könnten, steht die von Thomas auf meiner Wunschliste ganz unten. Meine Hände fangen an zu zittern. Ich will den Mörder meines Bruders nicht wiedersehen.
Ollies Bellen wird langsam lauter. Dann ertönen die ersten Schritte und Stimmen. Ich höre Thomas, der seinen Soldaten Befehle zuruft. Ich halte den Atem an und gehe noch einmal die Zahlen durch, die ich mir eingeprägt habe.
Dann sind sie direkt vor meiner Tür. Ihre Stimmen brechen ab und stattdessen höre ich Klickgeräusche (das Entsichern von geladenen Pistolen – oder nein, es sind Maschinengewehre, die Standardausführung).
Was als Nächstes passiert,
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