Legend - Fallender Himmel
auszusprechen.
»Also ist dein Bruder von seinem eigenen Freund ermordet worden?« Kaede stößt einen leisen Pfiff aus. »Weil er herausgefunden hat, dass die Republik eure Eltern umgebracht hat? Und dann haben sie Day die Schuld in die Schuhe geschoben?«
Kaedes lockerer Tonfall gefällt mir gar nicht, aber ich schlucke meinen Ärger runter. »Ja.«
»Tja, das ist wirklich mal ’ne traurige Geschichte. Aber was zum Teufel hat das alles mit den Patrioten zu tun?«
»Ich will Day vor seiner Hinrichtung zur Flucht verhelfen. Und ich habe gehört, dass die Patrioten schon vor langer Zeit versucht haben, ihn zu rekrutieren. Ihr wollt doch sicher auch nicht, dass er stirbt. Ich würde gern ein Abkommen mit den Patrioten schließen.«
Der Ärger in Kaedes Augen hat sich in Skepsis verwandelt. »Heißt das jetzt, du willst den Tod deines Bruders rächen oder so? Der Republik den Rücken kehren, um Day zu retten?«
»Ich will Gerechtigkeit. Und ich will den Jungen befreien, der nicht der Mörder meines Bruders ist.«
Kaede stößt ein ungläubiges Schnauben aus. »Ehrlich, du hast doch sicher ein nettes Leben. Wohnst in einer kuscheligen Wohnung in irgendeinem Reichensektor, stimmt’s? Wenn die Republik rausfindet, dass du mit mir geredet hast, stellen sie dich vor ein Erschießungskommando, genau wie Day. Das ist dir doch wohl klar, oder?«
Bei dem Gedanken an Day, der vor einem Erschießungskommando steht, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie auch Tess zusammenzuckt. »Ich weiß«, antworte ich. »Also, hilfst du mir?«
»Dir liegt ziemlich viel an Day, oder?«, fragt Kaede.
Ich hoffe, dass die Dunkelheit die Röte verbirgt, die mir in die Wangen steigt. »Das tut nichts zur Sache.«
Sie lacht laut auf. »Das ist ja wohl der Witz des Jahrhunderts! Kleines reiches Mädchen verliebt sich in den Staatsfeind Nummer eins. Und es kommt sogar noch besser, denn es ist ja ganz allein deine Schuld, dass sie ihn überhaupt erst geschnappt haben. Stimmt’s?«
Ganz ruhig. »Hilfst du mir?«, frage ich abermals.
Kaede zuckt mit den Schultern. »Wir wollten Day schon immer bei uns haben. Er würde einen perfekten Späher abgeben. Aber wir sind nicht gerade ’ne Wohlfahrtsgesellschaft. Wir sind Profis, wir haben große Ziele und die erreichen wir nicht, indem wir auf Schmusekurs gehen.« Tess öffnet den Mund, um zu protestieren, aber Kaede schneidet ihr mit einer Geste das Wort ab.
»Day mag vielleicht hier auf der Straße so was wie ’ne Berühmtheit sein, aber er ist trotzdem nur ein einzelner Typ. Was haben wir von der ganzen Sache? Außer dem Vergnügen, ihn zu uns ins Boot holen zu können? Die Patrioten setzen nicht ein Dutzend Leben aufs Spiel, um einen einzigen Gefangenen zu befreien. Das ist ineffizient.«
Tess stößt einen Seufzer aus. Ich wechsele einen Blick mit ihr und ich sehe ihr an, dass ich nicht die Erste bin, die seit Days Festnahme diese Diskussion mit Kaede führt. Vielleicht hat Tess sich den Patrioten auch nur aus diesem Grund angeschlossen - um sie zu bitten, Day zu retten.
»Ich weiß.« Ich nehme meinen Rucksack ab und werfe ihn Kaede zu. Sie öffnet ihn nicht. »Darum habe ich das hier mitgebracht. Da drin sind zweihunderttausend Noten, minus das, was ich dir eben schon gegeben habe. Ein ansehnliches Sümmchen. Das war meine Belohnung dafür, dass ich Day aufgespürt habe, und sollte wohl als Entschädigung für deine Hilfe ausreichen.« Meine Stimme wird leiser. »Außerdem habe ich eine Elektrobombe dazugepackt. Stufe drei. Die ist sechstausend Noten wert. Setzt für zwei Minuten jede Schusswaffe in einem Radius von einer halben Meile außer Gefecht. Ich nehme an, du weißt, wie schwierig es ist, so was auf dem Schwarzmarkt zu bekommen.«
Kaede zieht den Reißverschluss des Rucksacks auf und wühlt eine Weile darin herum. Sie sagt nichts, aber ich sehe die Zufriedenheit in jeder ihrer Bewegungen, an der Art, wie sie sich gierig über die Scheine beugt und mit ihrer gesunden Hand über das raue Papier streicht. Sie gluckst vor Vergnügen, als sie die Elektrobombe findet, und ihre Augen weiten sich, als sie die Metallkapsel herausholt, um sie näher zu betrachten. Tess beobachtet sie mit hoffnungsvollem Blick.
»Das hier ist für die Patrioten nicht mehr als ein kleines Taschengeld«, meint Kaede, als sie fertig ist. »Aber du hast recht - es könnte ein Anreiz für meinen Boss sein, mich dir helfen zu lassen. Aber woher sollen wir wissen, dass das
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