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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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wird wissen, wo der Zehn-Sekunden-Platz ist und dass ich entweder von der Regierung bin oder ein Schwarzmarkthändler, der Steuern an die Regierung zahlt. Er wird sich nicht zeigen. Selbst Commander Jameson, die mich mit dieser Mission testen will, ist überzeugt, dass er sich nicht zeigen wird.
    Aber ich weiß, dass er da sein wird - irgendwo. Er braucht die Seuchenmedikamente. Und das ist alles, worauf es mir heute ankommt - ein Hinweis, ein Anhaltspunkt, eine Richtung, irgendwelche Details über diesen Verbrecher.
    Ich achte darauf, die Straßenlaternen zu meiden. Normalerweise hätte ich den Weg über die Dächer genommen, wenn mein Ziel nicht das Bankenviertel wäre, auf dessen Gebäuden Wachleute postiert sind. Rings um mich strahlen die JumboTrons ihre grellbunten Spots in die Nacht aus. Ihr Ton dringt abgehackt und verzerrt aus den Lautsprechern. Einer von ihnen zeigt einen aktualisierten Steckbrief von Day - diesmal hat der Junge auf dem Bild langes schwarzes Haar. Neben den JumboTrons erhellen flackernde Straßenlampen die Nacht, in deren Licht Massen von Nachtschichtarbeitern, Polizisten und Händlern umhereilen. Hin und wieder rollt ein Panzer vorbei, gefolgt von ein paar Soldatentrupps. (Sie haben blaue Streifen auf den Ärmeln, also kommen sie entweder gerade von der Front zurück oder werden dorthin geschickt. Sie tragen ihre Gewehre mit beiden Händen quer vor der Brust.) Für mich sehen sie alle aus wie Metias und ich muss mich ein bisschen stärker aufs Atmen konzentrieren, ein bisschen schneller gehen, um mit den Gedanken bei der Sache zu bleiben.
    Ich nehme den längeren Weg, durch die Seitenstraßen des Batalla-Sektors, vorbei an verlassenen Gebäuden, und werde nicht langsamer, bis ich das Militärgelände ein gutes Stück hinter mir gelassen habe. Die Straßenpolizisten wissen nicht, dass ich auf einer Mission bin. Wenn sie mich in diesem Aufzug und mit einer Infrarotbrille ausgestattet sehen, werden sie auf jeden Fall Fragen stellen.
    Die Arcadia-Bank liegt in einer ruhigen Seitenstraße. Ich gehe seitlich um das Gebäude herum und bleibe am Ende eines schmalen Durchgangs stehen, der zu einem Parkplatz führt. Dort warte ich in der Dunkelheit. Die Brille entzieht meiner Umgebung beinahe alle Farben. Ich blicke mich um und sehe Reihen von Straßenlautsprechern auf den Dächern, auf einer Mülltonne eine streunende Katze, deren Schwanz über den Deckel hin und her zuckt, einen verwaisten Kiosk, der über und über mit alten Anti-Kolonien-Plakaten beklebt ist.
    Die Uhr in meinem Visier sagt mir, dass es 23:53 Uhr ist. Ich vertreibe mir die Zeit damit, über Days Vergangenheit nachzugrübeln. Bevor er diese Bank überfallen hat, ist er schon dreimal bei uns aktenkundig geworden. Und das sind lediglich die Fälle, in denen wir Fingerabdrücke gefunden haben - ich kann also nur raten, wie viele Verbrechen er sonst noch begangen hat. Ich sehe mir die Gasse hinter der Bank genauer an. Wie hat er es geschafft, innerhalb von zehn Sekunden in diese Bank einzubrechen, mit vier bewaffneten Wachen am Hintereingang? (Die Gasse ist schmal. Er könnte auf beiden Seiten genug Halt gefunden haben, um die Hauswände hinauf bis in die zweite oder dritte Etage zu klettern, während er die Waffen der Wächter zu seinem Vorteil nutzte. Vermutlich hat er sie irgendwie dazu gebracht, aufeinander zu schießen. Vermutlich ist er durch eine Fensterscheibe gesprungen. Das hätte nicht länger als ein paar Sekunden gedauert. Wie er weiter vorgegangen ist, nachdem er erst mal drinnen war, bleibt mir ein Rätsel.)
    Ich weiß, dass Day sehr gut trainiert ist. Das hat nicht zuletzt sein Sturz aus zweieinhalb Stockwerken Höhe bewiesen, den er überlebt hat. Heute Nacht wird er so etwas allerdings nicht tun können. Egal, wie leichtfüßig er ist - man springt nicht aus Gebäuden und spaziert dann ganz normal weiter, als wäre nichts gewesen. Day wird noch mindestens eine Woche lang keine Gebäude oder Treppenhauswände hochklettern.
    Plötzlich versteife ich mich. Es ist 0:02 Uhr. Von irgendwoher hallt ein Klicken durch die Dunkelheit und die Katze auf der Mülltonne huscht davon. Es könnte ein Feuerzeug gewesen sein, ein Pistolenabzug, ein Lautsprecher oder eine flackernde Straßenlaterne; es könnte so ziemlich alles gewesen sein. Ich lasse meinen Blick über die Dächer schweifen. Nichts.
    Aber die Härchen in meinem Nacken stellen sich auf. Ich weiß, dass er da ist. Ich weiß, dass er mich beobachtet.
    »Komm raus«, sage

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