Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
Situation für Meister Banage nur verschlimmern, und das wäre unerträglich. Banage war derjenige gewesen, der versucht hatte, ihr zu helfen – wie immer –, und sie hatte ihm seine Hilfe nicht im Geringsten gedankt. In Mirandas Augen blieb ihr nur eine Wahl, hatte sie nur noch eine einzige Pflicht: zu verschwinden, in den Hintergrund zu treten und Hern niemals mehr auch nur den Ansatz eines Druckmittels gegen ihren Meister zu liefern.
Miranda lehnte sich an die Höhlenwand und kratzte mit den Fingern über den harten Sand, während der Hase anfing zu brutzeln. Draußen rauschte schäumend der kalte Ozean und warf eisige Gischt tief in die Höhle. Sie verzog das Gesicht. Mit einer Sache hatte Gin recht: Sie konnten nicht für immer hierbleiben. Sie hatte keine Kleidung zum Wechseln, keine Decken, und sie war überzogen mit Sand und Dreck. Selbst ihre Ringe waren mit Salz verkrustet. Trotzdem, sie wusste nicht, wohin sie sonst fliehen konnte – oder was sie tun sollte, wenn sie dort ankam. Wann immer sie versuchte, sich ein Leben jenseits des Geisterhofes vorzustellen, wurde ihr Kopf vollkommen leer.
Wahrscheinlich war das sogar verständlich. Sie war seit ihrem dreizehnten Lebensjahr ein Teil des Geisterhofes. Von dem Moment an, da sie ihren Eid abgelegt hatte, war der Hof ihr Leben gewesen. Sie war immer davon ausgegangen, dass dies der Grund dafür war, dass Banage sie den anderen vorgezogen und als seinen Lehrling angenommen hatte. Sie war die Einzige, die ebenso lang und intensiv arbeiten wollte, wie er es tat. Und sie hatte es gern gemacht, denn die Arbeit für den Geisterhof hatte ihr das Gefühl vermittelt, etwas Sinnvolles zu tun, etwas, das zählte. Die Arbeit gab ihr ein Ziel, eine Bedeutung und Selbstbewusstsein. Jetzt, ohne den Hof, fühlte sie sich wie ein Stück Treibholz im Wasser, ohne Ziel und Zweck.
Sie lehnte sich zurück und starrte in das Licht des Feuers, das an der vom Meer glatt geriebenen Decke tanzte. Der Wind blies durch die Höhle und pfiff durch die Felsen, als würde er über sie lachen. Dann, wie aus dem Nichts, flüsterte eine Stimme: »Miranda?«
Miranda sprang mit erhobenen Händen auf, bereit zur Verteidigung, aber die Höhle war leer. Nur das Feuer bewegte sich und kämpfte im heftigen Wind ums Überleben. Sie presste den Rücken an die Höhlenwand. Ein täuschendes Windgeräusch? Geister murmelten manchmal vor sich hin, besonders Winde, die nur selten schliefen. Doch die Stimme war sehr klar gewesen, und sie hatte ihren Namen ausgesprochen.
Sie dachte angestrengt darüber nach, während sie versuchte, alles um sich herum im Blick zu behalten. Plötzlich sprang ihr etwas Seltsames in ihre Augen. Am Höhleneingang, hervorgehoben in einem Sonnenfleck, landete eine Gestalt.
Miranda blinzelte ein paarmal, doch das änderte nichts an dem, was sie sah. Die Gestalt hatte die Sonne im Rücken, und Miranda konnte nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war, aber auf jeden Fall war sie menschlich, auch wenn sie gerade etwas getan hatte, wozu Menschen eigentlich nicht fähig sein sollten. Wer auch immer es war, die Person war nicht über den Strand hergewandert oder über die Felsen nach unten geklettert – sie war vor der Höhle gelandet . Gut gelandet, als wäre sie nur von einer Treppenstufe gesprungen, aber das ergab überhaupt keinen Sinn. Die Klippe war mindestens dreißig Meter hoch.
Noch während sie versuchte, aus der Sache schlau zu werden, duckte sich die Gestalt durch den niedrigen Höhleneingang und kam mit schnellen, lebhaften Schritten auf sie zu. Miranda drückte sich fester gegen die Wand und schickte ein Aufwallen von Macht zu ihren Ringen, nur um festzustellen, dass ihre Geister bereits wach waren, sich bereithielten und misstrauisch funkelten. Als die Person ins Licht des Feuers trat, stellte Miranda fest, dass ihr Besucher ein Mann war. Er wirkte noch nicht allzu alt, trotz der grauen Haare, seines runzligen Gesichts und der großen Brille, die ihm die Aura eines freundlichen Gelehrten verlieh. Der Effekt wurde noch von der langen formlosen Robe unterstützt, die er mehrmals um seine knochigen Schultern geschlungen hatte, sodass es wirkte, als hätte er einen Ringkampf mit einem Bettlaken verloren. Außer der Robe und der Brille schien er keine Kleidung zu tragen. Selbst seine Füße waren nackt, und er achtete sorgfältig darauf, nur auf Sand zu treten und den Stellen mit zerbrochenen, scharfkantigen Muscheln auszuweichen.
Miranda bewegte sich nicht,
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