Legenden d. Albae (epub)
und hörte einen triumphierenden Ruf. Die hässliche Fratze eines Halbtrolls sah auf ihn herab; den Turmschild hielt er vor sich und knallte ihn gegen sein Antlitz.
Jetzt musste Sinthoras schreien, die Schmerzen in seinem Kiefer waren zu groß. Dunkles Blut lief ihm aus dem Mund. Doch es kam noch schlimmer: Seine Arme und Beine knickten ein, er konnte sie nicht länger beherrschen und sich dem Gift widersetzen. Es tat seine Wirkung zu einem denkbar falschen Moment.
Samusin, gewähre mir deine Gunst, sonst bin ich verloren
!
Die Vorstellung eines neuerlichen Triumphs über seine Feinde bekam deutliche Risse.
»Hierher! Zu mir!«, schrie der Halbtroll und wälzte den Alb mit seinem eisenbeschlagenen Stiefel auf den Rücken. »Hier bin ich! Ich habe ihn!«
»Es gibt nur noch einen außer dir«, krächzte Sinthoras undeutlich und versuchte ein boshaftes Lachen. Es schmerzte unweltlich, und so ließ er es lieber sein. Der Kraft seiner Arme und Beine beraubt, wollte ihm nicht einfallen, was er gegen die drohende Niederlage unternehmen konnte. So dicht davor.
Alles wegen eines zaghaften Dämons
!
»Das ist mir gleich«, antwortete der Halbtroll von oben herab. »Wichtig ist, dass ich dich erwischt habe, Schwarzauge.« Er hob den riesigen Fuß und stampfte ihm mit der Ferse genau in den Bauch. »Lass mich sehen, was du gegessen hast«, sagte er und lachte gehässig.
Sinthoras’ Rüstung fing einen guten Teil des mörderischen Tritts ab. Dennoch steigerte sich der Druck, und ihm brachen vier Rippen. Er glaubte, ersticken zu müssen, und bäumte sich unter der Attacke auf.
Dabei hörte er das leise Klirren von Glas.
Siedendheiß überlief es ihn: Der Halbtroll hatte die Phiole mit seinem Fuß zermalmt.
Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albae-Reich Dsôn Faïmon, Spitze des Strahlarms Shiimāl, 4370. Teil der Unendlichkeit (5198. Sonnenzyklus), Spätsommer
Caphalor schlug die Augen auf.
Und wunderte sich.
Er hatte nicht damit gerechnet, so etwas überhaupt jemals wieder tun zu können.
Noch viel weniger hatte er damit gerechnet, die Decke seines Schlafgemachs zu betrachten.
Ich träume
!
Er wandte den Kopf nach links.
Es war in der Tat sein Gemach – und neben ihm lag seine Gefährtin. Sie hatte die Lider geschlossen, ihr Atem ging schleppend.
Er wollte sie rufen, aber seine Lippen bewegten sich nicht. Caphalor fühlte sich müde, schwach am ganzen Körper. Sein Verstand arbeitete sehr langsam, als wäre er trunken von zu viel Wein.
»Vater, bleib ruhig liegen«, sagte die Stimme seiner Tochter rechts von ihm.
Ist es immer noch ein Traum
?
Vermutlich lag er in Wirklichkeit sterbend im Dreck, während das Gift des Alchemikanten seine grausamen Scherze mit seinen Gedanken trieb.
Es war Tarlesa, die ihn anlächelte. Auf ihrer schlichten, dunkelbraunen Kleidung haftete Blut. Hinter ihr stand Raleeha in einem grauen, hochgeschlossenen Kleid, ein Spitzenband vor den Augen. Wieder sah sie aus wie eine Albin und nicht wie eine Barbarin. Nur das Würgehalsband erinnerte an den Status einer Sklavin, einer Rechtlosen. Sie hielt eine Wasserschüssel; rote Tropfen rannen außen am Gefäß herab, und über ihre Handgelenke hingen blutige Tücher.
Das Bild verschwamm vor Caphalors Augen, und er versuchte, den Arm zu heben.
»Nein, Vater. Nicht bewegen. Noch bist du dem Tod nicht entronnen. Es wird viele Momente der Unendlichkeit benötigen, bis du aufstehen kannst und deine alte Kraft besitzt«, sagte seine Tochter beruhigend.
Caphalor schluckte. »Wie kam ich …« Seine Stimme versagte.
»Aïsolon fand dich und die Sklavin bei einem Jagdausflug. Er hat die Räuber, die euch angriffen, getötet, euch bis zum Wassergraben geschafft und die Grenztruppen alarmiert. Sie brachten euch unter seiner Führung hierher«, erklärte Tarlesa.
Er stöhnte. Jetzt war das Schlimmste geschehen, was er sich ausgemalt hatte.
Schmach und Schande, vom Helden zum Gespött geworden.
Damit wären die Anhänger von Sinthoras, die
Kometen
, gestärkt worden. Er hatte den Dämon nicht gefunden, Munumon nicht getötet, die Obboona lebte noch immer; er dagegen lag säuglingsgleich auf seinem Lager. Die Unauslöschlichenwürden ihn ächten, weil er erfolglos zurückgekehrt war.
Das alles
war schlimmer als der Tod.
Seine Tochter schien von seiner Miene ablesen zu können, was er dachte. »Niemand weiß, dass du in Shiimāl bist, Vater. Die Soldaten schworen mir und Mutter, dass sie schweigen würden. Sie sind Freunde der
Gestirne
. Und
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