Legenden d. Albae (epub)
andere Rasse«, erwiderte Sinthoras überheblich.
Und warum benötigt ihr dann einen Verbündeten
?,
sprach die Stimme des Dämons amüsiert.
Wenn ihr doch besser seid als alle anderen
?
»Meine Herrscher bieten Euch die Herrschaft über ein eigenes, großes Reich jenseits der Berge an«, redete er einfach weiter. Es lief nicht so, wie er es sich ausgedacht hatte. Dass der Dämon nicht einmal von den Albae gehört hatte, machte ihn fast wütend.
Oder ist es seine Art von Humor
? Foppt er mich absichtlich, um mich einer Prüfung zu unterziehen
?
»Dort könnt ihr über Menschen regieren, wie es Euch beliebt. Die Unauslöschlichen unterstützen Euch dabei mit einem Heer, wie es Ishím Voróo noch nicht gesehen hat.«
Die Stimme in Sinthoras’ Kopf lachte.
Wie kommen sie darauf, dass mich das Regieren reizt
?
Diese Frage verstand er beim besten Willen nicht. »Ist es nicht jedermanns Bestreben, über etwas zu herrschen? Ihr selbst, Dämon, habt Euch dieses Gebiet zu eigen gemacht und verteidigt es und habt die Menschen, die hier lebten, getötet oder vertrieben.«
Es ist nicht mehr als Fügung, dass ich hier bin. Ich hätte ebenso gut im Süden oder im Osten nach einem Lebensraum suchen können. Das, was geschehen ist, wollte ich nicht verursachen. Es geschieht meistens, wenn ich mich niederlasse. Ich kann es nicht verhindern.
Für Sinthoras klangen die Worte nicht so, als wäre der Dämon besonders interessiert daran, nach Tark Draan zu gelangen. Das wunderte ihn. Das wunderte ihn sogar sehr. Und an eine Probe glaubte er nicht mehr.
Was nutzt ein gelangweilter, lahmer Beistand
?
»Was wünscht Ihr Euch stattdessen, wenn Ihr uns Eure Hilfe angedeihen lasst?«, entgegnete er ratlos.
Der Regen ließ nach, und ein heftiger Wind trieb den Qualm davon, sodass er das Nebelwesen vor sich sah, in dem Pünktchen flimmerten und funkelten. Es schwebte regungslos einen Fuß über der Erde und besaß die Ausdehnung von zwei Fässern nebeneinander. Leidlich unspektakulär für einen Dämon.
Kannst du singen, Alb
?
»Selbstverständlich. Was soll …?«
Das Spiel mit dem Horn gefiel mir, doch eine Stimme kann mich zutiefst rühren. Wenn du mir Wohlgefallen bereitest, Alb, dann könnte es sein, dass ich darüber nachdenke, deinen Unauslöschlichen einen Besuch abzustatten und mit ihnen zu verhandeln.
Sinthoras zeigte seine Verwunderung unverhohlen. Er hatte schon um Gold, um Waffen, um Vorräte gefeilscht, hatte Kunstwerke gegen andere getauscht, doch dass ein Lied eine derart wichtige Entscheidung für seine Heimat bringen sollte? Wie gut, dass er ein passabler Sänger war. »Dann lauscht mir. Ihr vernehmt die Weise über Inàstes Tränen.«
Sinthoras erhob die Stimme und sang, wie er noch niemals in seinem langen Leben gesungen hatte.
Tränen, unglücksschwer
schwarz und voller Kummer.
Schwärze vom Himmel,
vergossen für uns,
die Unsterblichen.
Sie gaben uns Mut,
wiesen uns Heimat und Hoffnung.
Niedergegangene Göttlichkeit,
gegeben an uns,
die Unsterblichen.
Gesegnet und erhöht
durch unsere Mutter Inàste,
stehen sie über allen,
stehen wir über allen,
die Unsterblichen.
Nie mehr sollen Tränen fließen,
schwarz und voller Kummer.
Wir leben ewig, um Mutter zu preisen,
sie mit Stolz zu erfüllen.
Den gleichen Stolz,
gegeben an uns,
die Unsterblichen.
Tränen sollen andere weinen,
die Mütter unserer Feinde.
Inàste soll lachen, sich erfreuen
an der Feinde Gebeinen,
getötet von uns,
den Unsterblichen.
Der letzte Ton kam über seine Lippen und hallte noch zwischen den Bergketten nach. Sinthoras fand seine Darbietung ausgesprochen gelungen und hegte keinerlei Bedenken, dass er den Dämon überzeugt hatte. Er sank vor dem Wesen auf das rechte Knie. »Jetzt lasst mich Euch beschreiben, wie wir nach Dsôn …«
Ich fühlte kein Wohlgefallen, Alb.
»Was?« Sinthoras war sich sicher, dass er den Nebel tumb anglotzte.
Zwar rührtest du mich, und ich verlor mich ein wenig in deiner Stimme, doch die Weise behagte mir nicht. Zu viele dunkle Töne. Zu traurig.
Die Wolke wuchs in die Breite und wurde durchscheinender.
Sieh dich um. Brauche ich noch mehr Trostlosigkeit als das hier
? Etwas Heiteres, Alb, wäre passender gewesen.
Sinthoras konnte es nicht fassen, wie dieses Ding es wagte, ein solches Urteil über seine Sangeskunst zu fällen. Bevor er etwas erwidern und ein zweites Lied vorschlagen konnte, erhob sich der Nebel und ließ sich vom Wind zurück in den Qualm der Torffeuer treiben.
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