Legenden d. Albae (epub)
sehr fröhlich. Und schadenfroh.
Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albae-Reich Dsôn Faïmon, Strahlarm Wèlèron, 4371. Teil der Unendlichkeit (5199. Sonnenzyklus), Frühling
Weswegen dauert es so lange
?
Caphalor hatte sich noch immer nicht gerührt.
Er war abgemagert, ein Schatten jenes Helden, den das Volk des Albae-Reichs kannte. Sonnen und Monde verbrachte er in der Kammer des Inselturmes, während die Vorbereitungen des Feldzuges von Sinthoras allein vorangetrieben wurden.
Der Alb saß vor ihm, wie er es oft tat, und berichtete ihm von den Fortschritten, vom Auftauchen des Gålran Zhadar, von ihren Plänen, von der Antwort der Unauslöschlichen auf das Angebot.
Caphalor starrte einfach nur gegen die Wand und hörte zu, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Weswegen dauert es so lange
?
Er wartete auf den Tod.
Aber es hatte den Anschein, als kümmere sich die Vergänglichkeit nicht um ihn, als meide sie ihn und schlage einen Bogen, nur um ihm zu beweisen, dass er den Augenblick seines Todes nicht selbst in der Hand hielt. Caphalor hob den Arm, bewegte ihn.
Ich fühle mich nicht einmal schwach
!
Ärger schoss in ihm hoch, Wut auf den Tod, der ihn foppte und ihm die Rückkehr zu seiner Familie verweigerte.
Dann vernahm er etwas, was ihn doch dazu brachte, nicht länger die Mauer anzustarren, sondern die Augen auf Sinthoras zu richten.
»Wir haben herausgefunden, wie die Obboona unbemerkt nach Dsôn gelangte«, sagte der Alb und zuckte zusammen, als sich Caphalors Kopf ruckartig umwandte. »Eine Wachmannschaft hat es versäumt, die im Graben treibende Insel aus Schwimmgras rechtzeitig zu überprüfen. Unter diesen Matten gelangten sie und eine Handvoll Srink auf das andere Ufer.«
Caphalor biss die Zähne fest zusammen.
Sie hatten es in der Hand, ihren Tod zu verhindern
! Samusin, töte sie dafür
!
»Schlamperei hat Enoïla und meine Tochter das Leben gekostet?«, sprach er heiser. Seine Stimme war belegt, da er sie lange nicht mehr genutzt hatte. »Es ist die Pflicht der Inseltürme, jegliches Treibgut in Brand zu stecken und zu versenken!«
»Ich weiß. Sie taten es auch, nur zu spät. Wir haben die Mannschaft bestraft.«
»Mit dem Tod?«
Sinthoras schwieg, bevor er ansetzte: »Du musst verstehen, dass …«
»Womit habt ihr sie dann bestraft?«, schrie Caphalor. »Habt ihr ihnen das Liebste genommen, was sie sich denken können? Ihnen das Herz herausgeschnitten und sie zum Weiterleben gezwungen?«
Stünden sie vor mir, ich würde sie erwürgen
!
»Sie wurden verbannt, Caphalor. Schwerer hätte sie es nicht treffen können.«
»Doch«, grollte er wütend. »Sag mir, wo ihre Familien leben, und ich …« Er brach ab, sein Antlitz zeigte Erschütterung. »Siehst du, was die Obboona mir angetan hat? Mich dürstet nach dem Blut meines eigenen Volkes.«
»Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich kann es nachvollziehen.«
Lange Zeit blieben sie stumm. Caphalor rang seinen Zorn nieder und sah Sinthoras an. »Wieso haben die Unauslöschlichen noch niemanden gesandt, der mir die Nachricht von meiner Enthebung überreichte?«
»Weshalb glaubst du, dass sie das tun sollten?«
»Weil ich mich um nichts kümmere. Weil ich mich nicht um den Krieg schere und alles dir überlasse. Held hin oder her, ich tauge nichts.« Er bemerkte das Flackern in Sinthoras’ Blick – und verstand. »Du deckst mich?«
»Sagen wir, ich lasse sie nicht wissen, wie es dir ergeht und …«
Caphalor lachte bitter. »So weit ist es gekommen. Einst waren wir Rivalen, nun schenkst du mir aus Mitleid das Amt des Nostàroi. Tust du das, um dich selbst in einem helleren Licht erstrahlen zu lassen, oder genießt du es, mich eines Splitters der Unendlichkeit zu demütigen und mich zu überflügeln?«
»Wenn ich das wollte«, Sinthoras erhob sich, »hätte ich es schon lange tun können. Du gehörst auf den Rücken deines Nachtmahrs, ins Gefecht gegen Tark Draan, Caphalor.« Er öffnete die Tür. »Und ich glaube, dass der Tod ebenso denkt wie ich. Sonst hätte ich dich schon längst leblos vorgefunden.« Er schloss die Tür von außen.
Caphalor starrte in das Halbdunkel und wartete darauf, dass sich ihm etwas erschloss, aus dem er Kraft schöpfen konnte.
Oder den Mut, das Unaussprechliche zu tun.
Seine linke Hand schloss sich um den Dolch, die Schneide glomm matt auf und reflektierte das schwache Licht.
Sich das Leben selbst zu nehmen, die göttliche Unsterblichkeit zu rauben, galt als ein schwerwiegendes Vergehen. Sein Name
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