Legenden d. Albae (epub)
Albin erwählen würde.
Es gibt noch immer Yantarai. Du kannst nicht alle Albinnen in Dsôn Faïmon töten.
Aber,
erwiderten die boshaften Gedanken,
er wird dich vielleicht wieder bei sich aufnehmen und dich als ihr Vermächtnis an ihn betrachten.
»Ich will das nicht denken«, sagte Raleeha unglücklich und strich die Falten aus ihrem grauen Sklavinnenkleid, richtete ihre Haare und rückte die Spitzenbinde vor den Augen so, dass sie hindurchspähen konnte. Sie hatte Stimmen vernommen, die sich näherten. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und Vater und Tochter traten ein.
Raleeha erhob sich und verbeugte sich tief vor ihnen.
»Eine hübsche Erscheinung«, sagte Timānsor. Seine Stimme klang für einen Alb erstaunlich hoch, er betonte die Worte auf eine ungewohnte Weise. Eine Freiheit, die er sich als Künstler nahm. »Man spricht also die Wahrheit.«
Raleeha erhob sich, hielt den Kopf gesenkt. Sie sah, dass er ein weißes Gewand mit sehr vielen schwarzen Stickereien trug; über seiner linken Schulter lag ein dunkelgelber Schal. Seine Haare schienen weiß zu sein, oder er trug eine lange Kappe darüber. Timānris hatte sich in ein schwarzes Kleid mit weißen Stickereien gehüllt.
Was soll ich darauf erwidern
?
Sie entschied sich für vorsichtiges Abwarten.
Die Albae schritten an ihr vorbei an einen breiten Tisch und unterhielten sich leise; immer wieder raschelte es, wenn sie Pergamente hin und her wendeten.
Sie begutachten meine Arbeiten
!
Ihr Herz schlug schneller. Niemals hätte sie gedacht, dass ihre Werke die Aufmerksamkeit eines albischen Künstlers erwecken könnten.
»Komm zu uns«, befahl Timānris. »Mein Vater möchte mit dir sprechen.«
»Ja, Herrin.« Raleeha bewegte sich zum Tisch und blieb gegenüber von den beiden Albae stehen.
»Du hast eine Gabe«, sagte Timānsor. »Durch deine Blindheit und deine Kunstfertigkeit entstehen Dinge, die kein Alb in Dsôn Faïmon nachahmen könnte. Sicherlich gibt es Blinde, aber sie gestalten Skulpturen. Keiner vermag das zu tun, was du leistest, Raleeha.«
»Ich danke Euch, Herr«, antwortete sie und verneigte sich wieder. Ein Hochgefühl durchströmte sie. »Diese Anerkennung ist ungewohnt, doch umso glücklicher bin ich.«
Wenn Farron das hören könnte
!
»Deine Arbeiten sind außerordentlich. Ich möchte sie ausstellen und sie meinen Freunden präsentieren, die auf solche ungewöhnlichen Werke nur gewartet haben«, redete er weiter. Es kostete Raleeha Mühe, ihn zu verstehen; die ausschmückend-blumige Betonung machte es schwer. »Sie werden ein Vermögen zahlen, um eines der Pergamente zu erwerben.« Er schob die Blätter zusammen, ordnete sie und richtete sie an der Kante aus. »Jedoch kann ich nicht offenbaren, dass sie das Werk einer Sklavin sind.«
Raleeha schluckte. »Herr, was …«
»Wir werden sagen, meine Tochter habe sie angefertigt. Nein, viel besser: Die Arbeiten wurden von einem blinden Alb angefertigt, der unerkannt bleiben möchte«, sponn Timānsor eine Legende. »Das wird sie noch mehr beeindrucken. Du wirst einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf erhalten, aber nicht zu viel. Du bist nur eine Sklavin, Raleeha.«
»Herr, Eure Tochter sagte mir, sie würde mich fördern und in ihre Obhut nehmen. Von dem Wort Sklavin hörte ich dabei nichts.«
Timānsor klang überzeugt. »Dein Los ist es, als Rechtlose und Nicht-Albin hier zu leben. Das ist so gut wie eine Sklavin. Aber trauere deswegen nicht, sondern freue dich, dass wir deine Werke unsterblich machen und sie an den Wänden der bedeutendsten Albae hängen werden.«
Raleeha vernahm seine Worte und erfasste die Bedeutung erst mit einiger Verzögerung.
Ich werde um meine Anerkennung betrogen
!
Sie wurde wütend und biss sich auf die Lippe, um nicht aufzubegehren.
Es ist der Preis, den ich für die Nähe zu Sinthoras bezahlen muss. Wenigstens verdiene ich einige Münzen.
Dennoch saß der Stachel tief, er brannte und schien sich tiefer zu bohren.
Timānsor trat vom Tisch zurück und rief einen Sklaven, der die Pergamente nahm. Er wies den Mann an, sie zum Rahmen zu bringen, um die Kostbarkeiten hinter einer Schicht aus dünnem Glas zu bergen. Dabei musste sie mit anhören, wie er voller Lob davon sprach, dass die Werke seiner Tochter überaus gelungen seien. Dann entfernte er sich.
Raleeha stand noch immer am leeren Tisch. Sie kam sich beraubt, ausgeplündert vor.
»Es war nicht mein Einfall«, sagte Timānris leise und klang keineswegs glücklich. »Vater ist der festen
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