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Legenden d. Albae (epub)

Legenden d. Albae (epub)

Titel: Legenden d. Albae (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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halten, und somit hatte es den rechten Hinterlauf frei. Es krachte, als der Huf gegen die Gitter knallte und sie tatsächlich verbog! Das Tier versuchte Sprünge, bockte und warf sich in unbändigem Kampfeswillen herum, sodass ein Sklave nach dem anderen loslassen musste.
    »Los, ergreift es!«, befahl Mórcass und sah auf seine Hand, die Verätzungen aufwies, wo das Einhornblut die Haut berührt hatte. Er zog die Säge heraus und griff mit der anderen Hand nach einem schweren Hammer, um das Horn abzubrechen.
    Der Schlag traf, es knackte laut; splitternd brach das Horn gleich einem störrischen, trockenen Baumstamm und riss weiter ein, ohne sich gänzlich zu lösen. Noch mehr Blut spritzte und sprudelte, und das Einhorn schrie! Der Laut war reinste Agonie und mehr als ein Ausdruck von unerträglichem Todesleid; er schmerzte in Caphalors Verstand und in seiner Seele.
    »Halt dich bereit«, sagte Mórcass und drosch ein zweites Mal zu   – aber das Tier wich aus und rammte dem Händler sein halb zerstörtes Horn in die Brust. Als es den Kopf zurückzog, verhakten sich die gesplitterten Enden in seinen Rippen. Der aufgespießte Händler wurde hin und her geschleudert, prallte mehrmals rumpelnd und scheppernd gegen dieEisenbarren, dann brach das Horn endlich durch.
    Der Alb fiel vor dem Käfig nieder und regte sich nicht mehr. Augenblicklich breitete sich eine dunkle Blutlache unter ihm aus.
    Caphalor kippte den Inhalt des Schälchens geistesgegenwärtig in Richtung Stumpf, und das Einhorn wieherte ein weiteres Mal, anhaltend und so hoch, dass er dachte, er werde sein Gehör verlieren. Dann bückte er sich, um nach Mórcass zu sehen, und drehte ihn auf den Rücken.
    Es gab nichts mehr zu tun. Das Horn steckte schräg in der klaffenden, ausgefransten Wunde, die Knochen waren geborsten und verbogen, die Lunge zerstört. Das sterbende Herz pumpte weiter das Blut aus den aufgerissenen Adern, wurde langsamer und hielt inne.
    Mórcass’ Augen verloren den Glanz, die Seele des Albs war aus der Unendlichkeit in die Befreiung gegangen. Und das sicherlich lange vor seiner Zeit. Mórcass hatte nicht zu den Ältesten gehört.
    Caphalor sah zum Einhorn, das gegen die Gitterstäbe fiel und auf die Erde rutschte, wild um sich trat und röchelte. Die Zunge hing ihm weit aus dem Hals, hellrotes Blut floss aus dem Schlund. Die Zähne lösten sich aus den Kiefern, kullerten über den Boden, klackerten gegen den Käfig und machten den neuen, spitzen, scharfen Fängen Platz, die wie Klingen durch das Fleisch stießen. Die Verwandlung in einen Nachtmahr begann unerwartet schnell.
    Caphalor ließ die Sklaven Mórcass ins Haus tragen und sandte einen von ihnen nach einem Heiler aus, auch wenn es vergebliche Mühe bedeutete. Er wollte Mórcass’ Frau nicht sagen müssen, dass ihr Gemahl gestorben war. Stattdessen setzte er sich vor den Käfig und beobachtete gebannt, während die Zeit verging.
    Der Blutstrom aus dem Stumpf endete. Das Fell trübte sichallmählich ein, wurde grau und schließlich schwarz. Schweif, Mähne, die langen Haare an den Fesseln, alles wurde finster und eines Nachtmahrs würdig. Die Magie im Blut des Albs vernichtete die Reinheit des Wesens. Caphalor wünschte sich Enoïla herbei, um sie den Vorgang zeichnen zu lassen. Sie war besser als er und hätte die packende Wandlung einfangen können.
    Gegen Abend zog der Hengst die Zunge zurück ins Maul und kämpfte sich auf die Beine. Sein erstes Wiehern klang tiefer, voller und für alle anderen Kreaturen als die Albae unheimlich, erschreckend. Die Augen schimmerten glutrot, als sie sich auf Caphalor richteten. Das Schnauben schien sagen zu wollen:
Lass mich frei.
    Und er tat es.
    Caphalor erhob sich, öffnete die Gittertür, machte mehrere Schritte rückwärts und wartete ab, was der von ihm erschaffene Nachtmahr zu tun gedachte. Sein Herz pochte. Angst fühlte er keine, doch eine solche Aufregung hatte er nicht mehr verspürt, seit sein Schwert im Kampf gegen eine Übermacht zerbrochen war. Damals hatte er dennoch gewonnen.
    Der Hengst verließ bedächtig sein Gefängnis; weißliche Blitze umspielten die Hufe, es zischte laut. Die Nüstern blähten sich, er witterte, zuerst in Richtung der Halbriesen, dann streckte er den Hals, den Kopf auf Caphalor gerichtet. Langsam ging er auf den Alb zu, schnaubte und zeigte dabei die Reißzähne.
    Näher und näher kam der breite Schädel, dann neigte der Nachtmahr das blutige Haupt vor seinem neuen Herrn.
    Caphalor hob die Hand und

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