Legenden d. Albae (epub)
zu unterwerfen oder davon zu überzeugen, sich ihr anzuschließen. Das Heer könnte viele Tausende umfassen, wenn Lotor allein an die Macht käme. Nach meinen Berechnungen bis zu einhunderttausend!« Er sah auf die Papierwand, als blicke er den Herrschern selbst in die Augen. »Die zunehmenden Überfälle der Trolle auf die Barbaren der Tandruu zeigen, wie sehr die Bestien auf einen Krieg aus sind. Ihre Rotten sind siebzig Bestien stark, und zehn dieser Einheiten sind bisher zum Einsatz gekommen. Sie versuchen sich in neuen Taktiken, wenn sie gegen die Tandruu ziehen. Sie üben sich – doch wofür? Sorge bereitet mir zudem, dass die Botoiker, die für ihre verborgene Magie bei den anderen Völkern gefürchtet werden, vom Westen aus versuchen, das Gebiet der Fflecx anzugreifen.« Er reckte sich und hob beschwörend die Arme. »Die Giftmischer wurden seit Hunderten Teilen der Unendlichkeit nicht mehr angegriffen! Wenn die Botoiker davor nicht zurückschrecken, was werden sie als Nächstes angehen?«
Einiges davon hatte Caphalor zuvor als Gerücht vernommen, aber die Zahlen, die Sinthoras dazu jeweils anführte, gingen über das Hörensagen weit hinaus. Er und seine Freunde mussten ein gutes Netzwerk außerhalb des Albae-Reichs aufgebaut haben – Spione und Späher, die umherstreiften und ihre Nachrichten nach Dsôn übermittelten. Caphalor musste zugeben, dass er beeindruckt war.
»Alles um unseren Sternenstaat zieht sich zusammen und ist in Bewegung. Heute Morgen schlug der Wind um, Samusin sendet uns den Westwind, den sicheren Vorboten des Krieges. Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Stärksten der Barbaren und Bestien aus den Schlachten hervorgegangen sind. Und inihrer Torheit werden sie sich stark fühlen und sich gegen uns verbünden. Ich sage: Kommen wir ihnen zuvor! Nicht aus Furcht, sondern aus Weitsicht«, appellierte er flammend. »Ihr Unauslöschlichen: Zum Schutz unseres Volkes müssen wir den Krieg hinaus nach Ishím Voróo tragen. Wir werden siegreich sein und die Ruhe genießen, die sich um uns herum einstellen wird. Die Stille des größten Triumphes, den unsere Legenden auf ewig besingen!«
Stille kehrte ein.
»Ich danke dir für das, was du und deine Freunde zusammengetragen haben«, sagte Nagsar Inàste schließlich samtweich und betörend. »Was denkst du darüber, Caphalor?«
»Da Ihr uns beide eingeladen habt, gehe ich davon aus, dass Ihr zwei verschiedene Meinungen hören wolltet, wie wir die Zukunft unserer Heimat sichern können«, begann Caphalor bedächtig und sah kurz zu Sinthoras hinüber, der ihm mit einer Geste bedeutete, sich kurz zu fassen. »Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unsere eigenen Grenzen verstärken und Dsôn Faïmon zu einer Festung ausbauen sollten. Man könnte eine Mauer unmittelbar hinter dem Wassergraben in die Höhe ziehen und …«
»Schwachsinn!«, rief Sinthoras aufgebracht und wandte sich ihm zu. »Je mehr Land uns gehört, desto sicherer sind wir.«
»Wir haben niemals genügend Truppen, um die eroberten Gebiete zu kontrollieren, geschweige denn bei einem Gegenschlag zu halten«, hielt Caphalor unerschütterlich dagegen und drehte sich zu seinem Kontrahenten. Er sah ihm an, dass er kurz davorstand, seine Beherrschung zu verlieren. Das war gut, denn so würde Sinthoras sich selbst vorführen und seine Idee des Vielfrontenkrieges sterben lassen. Caphalor verband einen herausfordernden Ton mit seinen Argumenten. »Auf Sklaven und Diener, denen wir Waffen in die Hand drücken und sie in den Landstrichen zurücklassen, möchte ich nicht zählen müssen.« Er kreuzte die Arme vor der Brust. »Undich sehe eine weitere Gefahr: Wir müssten vermutlich fast all unsere Krieger aussenden. Diese Lage könnten die Vasallen nutzen, um einen Aufstand zu wagen und Dsôn Faïmon von innen heraus zu zerschlagen.«
Sinthoras stierte ihn hasserfüllt an. »Ich habe alles genau berechnet. Wir benötigen höchstens die Hälfte unserer …«
Caphalor gab ein gekünsteltes Lachen von sich. »Sicherlich sind wir herausragende Krieger, die mit einer Übermacht keine Schwierigkeiten haben und sich gegen Magie zu behaupten wissen. Doch Unvorhergesehenes kann immer geschehen. Du kennst die Fflecx und ihre Giftküche. Was wäre, wenn sie einem unserer Feinde eine Substanz lieferten, welche unsere Soldaten zu Hunderten sterben ließe, sodass die Front einbräche? Reservetruppen benötigen viel zu lange, um einen gegnerischen Vorstoß aufzuhalten. Und schon
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