Legenden d. Albae (epub)
Faïmon, der eine Menschenfrau anfasste – außer zur Bestrafung.
Nun wollte er mehr über sie wissen. Wie sie sein Volk sah. »Was hältst du von uns, den Kindern von Nagsar und Nagsor Inàste?«, fiel er ihr einfach ins Wort. »Was sagt man bei den Barbarenvölkern?« Caphalor befreite ihr Denken von der Angst.
Sie stutzte und atmete auf, nahm die Hand von der Brust. »Ich zähle wohl nicht, was die Bewertung von Dsôn Faïmon angeht. Denn für mich gibt es keinen schöneren, faszinierenderen Ort, Ehrwürdiger! So viele Einmaligkeiten und Unmöglichkeiten, wenn man menschliche Maßstäbe an die Bauwerke und die Handwerkskunst anlegt.« Sie tastete um sich, nahm ihren Rucksack. »Hier. Ich habe vieles gezeichnet und gemalt, als ich noch sehen konnte. Wenn Ihr es betrachten möchtet, Ehrwürdiger?« Sie hielt dem Alb den Tornister hin.
Caphalor nahm sich die Heftchen, in welche die Sklavin mit Tusche und Kohle ihre Beobachtungen auf das Papier gebannt hatte. Es waren beeindruckende Skizzen, nicht perfekt wie vonAlbae-Hand, doch bemerkenswert und alles andere als barbarisch. »Solltest du eine Spionin sein, wären diese Bilder für unsere Feinde unersetzbar«, sprach er leise. »Ich müsste sie den Flammen übergeben.«
Raleeha streckte schützend die Hand aus, tastete nach ihrer Tasche, doch dann hielt sie inne. »So tut es, Ehrwürdiger. Mir nützen sie nichts mehr. Und ich würde mir niemals verzeihen, wenn ich damit Euren Feinden einen Gefallen erwiese.«
Caphalor machte eine Armbewegung und wollte die ersten Blätter dem Feuer übergeben – doch er konnte es nicht. Stattdessen packte er sie in seine Satteltaschen. »Ich verwahre sie. Wer weiß, wofür du sie noch brauchst.«
Sie nickte ihm zu, ihre Züge spiegelten Dankbarkeit wider. »Ehrwürdiger, wie alt seid Ihr?«
Caphalor lachte ungläubig auf. »Bedenke deinen Rang, Sklavin! Du hast mich nichts zu fragen!«
»Verzeiht mir! Ich bedenke ihn, Ehrwürdiger. Aber ich finde es faszinierend, wie alt Geschöpfe sein können, ohne dass man es ihnen ansieht«, erklärte sie. »Eure Stimme ist, wenn ich das sagen darf, melodisch und freundlich. Ich hätte gern das Antlitz meines Retters gesehen.« Sie bedauerte es wirklich, wie er am Tonfall hörte.
»Das wird dir nicht vergönnt sein«, sagte er schroff und erhob sich. Er fand, dass sie sich zu viel anmaßte, worin er sie wohl noch ermutigt hatte. Er zog die Riemen des Halsbandes enger, damit sie spürte, dass seine freundliche Phase vergangen war. »Leg dich hin. Wir werden morgen auf die Fflecx treffen.«
Raleeha sank neben die wärmenden Flammen und breitete die Pferdedecke über sich aus, die ihr Caphalor überlassen hatte. »Was ich Euch noch sagen muss, Ehrwürdiger«, hob sie an. »Es geht um Sinthoras.«
Caphalor drehte sich zu Sardaî, der sich erfreulich still verhielt. Er würde sie warnen, wenn sich ihnen jemand näherte.»Was ist?« Er betrachtete den Hengst, der mit geschlossenen Lidern auf der Stelle stand. Steif, regungslos, das perfekte Standbild. »Sardaî?«
Der Hengst regte sich nicht.
Hinter ihm raschelte es. Hastig wandte er sich zur Sklavin um, die nach vorne kippte; in der rechten Schläfe steckte ein winziger Pfeil.
Fflecx
!
Caphalor sprang auf und nahm seinen Bogen, den Köcher und duckte sich hinter dem Felsvorsprung. Er rief die Gabe seines Volkes, spürte sie und sandte schwarze Schlieren aus, um die Flammen damit zu ersticken.
Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit, die immer heller und heller wurde, weil sich seine Augen an das Licht der Sterne gewöhnten.
Ein leises Kichern, ein kreischendes Lachen, dann klirrte etwas unmittelbar neben seinem Ohr gegen den Fels. Flüssigkeit spritzte gegen seinen Nacken, doch das Gift würde seine Wirkung auf diese Weise nicht entfalten. Das Blasrohrgeschoss hatte ihn knapp verfehlt.
Caphalor legte einen Pfeil auf die Sehne, lauschte und ließ die Blicke schweifen. Als er einen kindgroßen Umriss sah, schoss er zwei Pfeile in rascher Folge nacheinander ab. Stumm fiel der Angreifer, und lautes, wütendes Schreien erklang um ihn herum.
Durch den Laut konnte er erkennen, wo weitere Fflecx standen, und Caphalor erlegte einen weiteren von ihnen ebenso rasch wie den ersten.
Das habe ich Sinthoras zu verdanken. Er hat sie mir auf den Hals gehetzt
! Wieso sonst würden sie ihr Gebiet verlassen
?
Caphalor schätzte die Zahl seiner Gegner auf mindestens dreißig. Er musste die Stellung wechseln, am Felsvorsprung saß er in der
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