Legenden der Traumzeit Roman
kränkten ihn jedoch nicht.
Die schmerzhafte Spöttelei über seine braune Haut, die blauen Augen und die langen Haare waren hingegen schwerer zu überhören, und es kostete ihn einen eisernen Willen, um sein Temperament zu zügeln – denn obwohl er es wiederholt abgestritten und deshalb die ein oder andere Rauferei ausgetragen hatte, hielten ein paar Streithähne ihn hartnäckig für einen Chinesen.
Er kniff die Augen gegen den hellen Glanz der aufgehenden Sonne zusammen und wunderte sich über ihre Unkenntnis. Die wenigen Chinesen, die in den Bergwerken arbeiteten, waren von kleinem Wuchs, hatten dunkle, schräg stehende Augen, und ihre Haut war eher gelb, im Gegensatz zu Hinas Honigbraun. Offensichtlich war ihnen klar, dass sie nicht willkommen waren, denn sie hielten Distanz. Mit gesenkten Köpfen unter ihren traditionellen Hüten stöberten sie mit schwingenden Zöpfen in den Abfallhaufen herum. Für andere waren sie ein seltsamer Anblick mit ihren langen Schulterstangen und Körben, undurchdringlichen Mienen und der unverständlichen Sprache, doch Hina war mit den Hakka auf Tahiti vertraut und verstand ihre Sprache – eine Fähigkeit, die er verschwiegen hatte, denn er wusste, es würde nur weiteren Verdacht erregen.
»Diese verdammten Fliegen machen einen noch verrückt«, brummte Bones, der aus dem Zelt kroch. »Wenn sie nicht auf dir sitzen, stechen sie dich. So eine Qual habe ich noch nicht erlebt.«
»Nicht die Fliegen stechen«, korrigierte Hina ihn, der sich zu Ende rasiert hatte und jetzt die Koteletts und das Steak über dem Lagerfeuer vor dem Zelt zubereitete. »Es sind die großen fliegenden Käfer.« Er schlug sich auf den Arm, auf dem ein solches Geschöpf sich niedergelassen hatte. Es flog fort, nur um kurz darauf zurückzukommen.
»Ich habe gesehen, wie Männer verrückt wurden – sie rannten nackt und schreiend in den Fluss und zerrten an ihre Haut –, und ich stehe kurz davor, es auch zu tun.« Bones zog die Ärmel seines karierten Hemdes herunter und knöpfte es bis zum Hals zu, bevor er sich den breitrandigen Hut aufsetzte. »Verdammte Viecher!«, knurrte er. »Man kann sich noch so bedecken, sie finden immer eine freie Stelle.«
Die Steaks, Koteletts und das Buschbrot waren rasch verzehrt, denn es war ein Wettkampf gegen die Fliegen, die über jeden Brocken herfielen. Nachdem das Frühstück beendet war und sie sich an heißem, süßem Tee erfrischt hatten, nahmen sie ihre tägliche Routine auf.
Hina packte die Schaufel, sprang in das Loch und begann zu graben. Während der Haufen am Rand des Loches anwuchs, belud Bones den Handkarren und brachte die Erde an den Fluss, wo sie in Siebe geschaufelt und gewaschen wurde, bis nur die größten Sedimentstücke übrig blieben. Hina sah von diesem Vorgang aufgrund seiner Kraft und Ausdauer nur wenig, denn er verbrachte seine Tage unter der Erde. Zum Glück wurde das Gold, das in dem Sieb glitzerte, gerecht aufgeteilt, und bei drei Pfund pro Unze hatte er ein ansehnliches Sümmchen versteckt.
Mittags tauchte er auf und zog sich das Hemd aus. Sein goldener Oberkörper glänzte vor Schweiß, und nachdem er in den Fluss getaucht war, ging er zu den anderen, um zu sehen, was sie gefunden hatten.
»Es geht langsam«, knurrte Bones. »Eine Tonne Erde ist zu bewegen, und wir haben erst ungefähr anderthalb Unzen gefunden.«
»Du wirst gierig«, sagte Hina und streckte den Rücken. »Manche finden gar nichts. Aber ich gebe zu, es geht langsam; vielleicht sollten wir uns überlegen, andere mit ins Boot zu holen.« Er betrachtete das Treiben am Ufer. Die meisten Goldgräber arbeiteten zu viert oder sechst zusammen, doch auch das war keine Garantie für Erfolg. »Aber wem können wir trauen?«
»Genau das ist der Haken«, stöhnte Bones und wischte sich über die sonnenverbrannte Stirn. »Den meisten würde ich nicht über den Weg trauen.«
»Ich glaube allmählich, es wird Zeit, dass wir –« Hina wurde durch einen Ruf unterbrochen.
»Vorsicht!«
Sie drehten sich um und sahen ihren vor kurzem eingetroffenen Nachbarn, der sich abmühte, ein durchgehendes Maultier unter Kontrolle zu bekommen. Das Tier bäumte sich auf und wehrte sich gegen die Zugriemen des Karrens und den festen Griff des Mannes am Zügel. Der Karren fiel krachend über das Loch und schloss am Ende alle ein, die darin waren. Er schnitt das Tier frei, und es rannte in den Fluss, wobei es auf seiner stürmischen Flucht Pfannen, Schwingtröge und Menschen
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