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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Töchter waren in Cornwall, wo die Arbeiter auf dem Landsitz und die Dorfbewohner von ihm abhingen, was ihren Lebensunterhalt und ihr Wohlergehen betraf. Er war bestrebt gewesen, seine Geschäfte und das Anwesen ehrlich und gerecht zu führen, und obwohl es zuweilen eine Sisyphusarbeit gewesen war, sich finanziell über Wasser zu halten, hoffte er, dass seine Bemühungen ihm den Respekt eingebracht hatten, um den er so hart gekämpft hatte. Jetzt hatte es den Anschein, als wiederhole sein Bruder die Fehler ihres Vaters, und Harry wusste, es war seine Aufgabe, Oliver wieder auf die richtige Bahn zu lenken.
    Harry schmunzelte über das unbeabsichtigte Wortspiel, denn diese Eisenbahnstrecke, an der Oliver sich beteiligte, erwies sich bereits als ein kostspieliges Unterfangen. Bei dem Gerangel innerhalb des Konsortiums, dem Mangel an Investoren und dem Ehrgeiz, die Linie vor der konkurrierenden in Melbourne fertigzustellen, drohte das Projekt in eine Katastrophe zu münden. Er seufzte tief und ging ins Haus.
    Stille empfing ihn. Lavinia und Amelia waren zu einem ihrer endlosen Ausflüge unterwegs, die Jungen spielten im Baumhaus. Gertrude hielt sich irgendwo oben auf, und die Dienerschaft hatte in der Küche zu tun. Von Oliver war nichts zu sehen. Da er vermutete, dass er sich wahrscheinlich in seinem Büro eingeschlossen hatte, durchquerte Harry die Diele.
    Die Tür zum Arbeitszimmer stand einen Spaltbreit offen. Oliver saß zusammengesunken in seinem Sessel und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Seine Laune war an dieser niedergeschlagenen Haltung abzulesen, und Harry empfand Mitleid mitseinem Bruder. Er zog sich diskret zurück; er wollte das Elend nicht mit ansehen oder als heimlicher Beobachter erwischt werden, denn Olivers Stolz stand auf dem Spiel.
    Er kehrte zur Haustür zurück, schlug sie laut zu und rief auf dem Weg zum Arbeitszimmer: »Oliver? Bist du da drin?«
    »Komm rein, komm rein!« Oliver erhob sich hinter dem Schreibtisch und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe gerade einen friedlichen Augenblick genossen, in dem das Haus ruhig war.«
    »Ich störe dich doch nicht, oder?« Harry setzte sich, bevor Oliver antworten konnte.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte Oliver gereizt. »Aber ich habe gleich einen Termin in der Stadt.« Er zog seine Taschenuhr hervor, als wolle er die Behauptung unterstreichen.
    »Ich dachte, wir könnten diese Gelegenheit nutzen, miteinander zu reden«, sagte Harry. »Wir haben kaum einen Augenblick für uns, und es wird Zeit, dass wir etwas aufholen.« Ihm fiel der gehetzte Ausdruck in Olivers Augen auf, die Art, wie er mit der Uhr hantierte und dann unnötigerweise Zuflucht dazu nahm, seinen Schreibtisch aufzuräumen. »Ich bin auch hier, um zuzuhören«, fügte er hinzu. »Komm schon, Ollie! Sag mir, was dir Sorgen bereitet.«
    »Ich bin kein kleiner Junge mehr!«, polterte Oliver. »Ich muss meinem großen Bruder nichts beichten.«
    »Warum nicht? Geteiltes Leid ist halbes Leid, und auch wenn wir das Problem nicht lösen können, trägst du wenigstens nicht die ganze Last.«
    »Klischees und Plattheiten sind schön und gut«, murmelte Oliver, »aber sie lösen gar nichts. Der Kummer, den ich einmal mit dir geteilte habe, war der eines Jungen – leicht zu überwinden.«
    Harry sah die dunklen Schatten schlafloser Nächte unter den Augen seines Bruders, bemerkte das Zittern seiner Hand, als eran den Papieren auf seinem Schreibtisch herumfingerte, und erkannte, dass sein Bruder näher am Abgrund stand, als er vermutet hatte. »Was ist passiert, Ollie?«
    Ein langes Schweigen trat ein, unterbrochen nur vom Summen einer Fliege, die gegen das Fenster schlug. Oliver erhob sich, trat an einen Schrank und holte eine Flasche Whisky und zwei Gläser heraus. »Einen Drink?«
    »Du weißt, dass ich nicht trinke, und du solltest es auch nicht tun. Es ist erst kurz vor elf.«
    »Es hilft«, murrte Oliver und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Er schenkte sich ein und beobachtete, wie sich die Sonne im Kristall fing, als er das Glas schwenkte. »Whisky ist ein Allheilmittel gegen alle Krankheiten«, sagte er leise. »Es betäubt den Verstand, damit ich nicht grübeln muss.« Er sah seinen Bruder an. »Ich weiß, du heißt das nicht gut, ebenso wenig wie Amelia und Gertie, aber manchmal ist er mein einziger Freund.«
    Harry war so schockiert, dass er redete, ohne nachzudenken. »Was du da sagst, ist gefährlich, Ollie. Er ist nicht dein Freund, sondern dein schlimmster

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