Legion der Morgenroete
vermochte nicht einmal zu erkennen, ob der andere überhaupt noch lebte. Als er ihn fast erreicht hatte, rollte der Mann in der schwarzgoldenen Rüstung die Treppe herab und warf ihn zurück. Hawkmoon versuchte, ihn zu halten, aber er spürte bereits, daß kein Leben mehr in dem Geheimnisvollen war.
Er bemühte sich, das Visier zurückzuschieben, und weinte um den Mann, den er nie als seinen Freund betrachtet hatte - doch jetzt, da es zu spät war, tat er es. Er wollte das Gesicht desjenigen sehen, der so lange Zeit sein Geschick gelenkt hatte. Aber das Visier bewegte sich kaum einen Fingerbreit, denn Trotts Keule hatte es zu sehr eingebeult.
„Der Ritter ist tot!" rief der Graf. Er hatte seine Maske abgenommen und griff nach dem Runenstab, während er triumphierend über die Schulter nach Hawkmoon schaute. „Genauso, wie Ihr es in einem Augenblick sein werdet, Herzog von Köln!"
Mit einem Schrei ließ Hawkmoon die Leiche fallen und stürmte die Stufen zu seinem Feind hinauf.
Aus der Fassung gebracht, drehte Trott sich um und hob die Keule erneut.
Hawkmoon duckte sich unter dem Schlag und bekam Trott um die Mitte zu fassen. Während er auf der obersten Stufe mit ihm rang, sah er d'Averc auf halber Treppenhöhe, mit einem Arm schlaff herunterhängend, gegen fünf Falken kämpfen. Und ein wenig höher bemerkte er Orland Fank, der mit einem wilden Schrei die Kriegsaxt um seinen Kopf schwang.
Trotts Atem kam pfeifend aus seinen wulstigen Lippen. Hawkmoon staunte über die Stärke des feisten Gegners. „Ihr werdet sterben, Hawkmoon", krächzte der Graf. „Ihr müßt sterben, wenn der Runenstab mein sein soll!"
„Er wird nie Euer sein!" keuchte Hawkmoon, während er mit dem Grafen rang. „Nie wird ein Mensch ihn besitzen."
Unerwartet zerrte er Trott hoch, und es gelang ihm, dem Granbretanier einen heftigen Kinnhaken zu versetzen. Trott brüllte und griff nach ihm, aber Hawkmoon hob seinen Fuß und stieß ihn gegen Trotts Brust, daß der Graf die Treppe hinunterrollte. Endlich konnte er sein Schwert wieder aufheben, und als Shenegar Trott, blind vor Wut, erneut auf ihn einstürmte, rannte er direkt in die Schwertspitze. Er starb mit einem wilden Fluch auf den Lippen, und sein letzter Blick galt dem Runenstab.
Hawkmoon zog sein Schwert aus dem feisten Leib und blickte sich um. Seine Legion der Morgenröte machte die letzten Falken nieder. D'Averc und Fank lehnten erschöpft gegen die Plattform unterhalb des Runenstabs.
Ein paar Schreie erstarben noch unter den Keulen, dann herrschte Schweigen, wenn man von dem melodischen Summen und dem schweren Atmen der drei Überlebenden absah.
Als der letzte Granbretanier sein Leben aushauchte, verschwand die Legion der Morgenröte.
Hawkmoon starrte auf die fette Leiche Shenegar Trotts herab und runzelte die Stirn. „Ihn haben wir besiegt - aber wenn der Reichskönig einen hierhergeschickt hat, dann werden auch andere folgen. Dnark ist nicht länger sicher vor dem Dunklen Imperium."
Fank rieb sich die Nase mit dem Arm. „Es liegt an Euch, dafür zu sorgen, daß Dnark sicher ist - ja, daß der Rest der Welt sicher ist."
Hawkmoon lächelte spöttisch. „Und wie soll ich das fertigbringen?"
Fank begann zu sprechen, da fiel sein Blick auf den toten Ritter in Schwarz und Gold. „Bruder!" keuchte er und taumelte die Stufen hinab. Er ließ seine Streitaxt fallen und nahm die Gestalt in der schweren Rüstung in seine Arme. „Bruder."
„Er ist tot", sagte Hawkmoon leise. „Er starb von Trotts Hand, als er den Runenstab verteidigte. Ich erstach Trott."
Fank weinte.
Lange standen die drei still nebeneinander und blickten auf das Schlachtfeld hinab. Die ganze Halle des Runenstabs war mit Leichen bedeckt. Selbst die Lichtmuster in der Luft hatten einen rötlichen Schimmer angenommen, und der bittersüße Duft war nicht stark genug, den Geruch des Todes zu überlagern.
Hawkmoon steckte das Schwert der Morgenröte in die Hülle zurück. „Was jetzt?" fragte er. „Wir haben die Arbeit getan, die man von uns verlangte. Wir haben den Runenstab erfolgreich verteidigt. Erlaubt man jetzt unsere Rückkehr nach Europa?"
Da erklang eine Stimme hinter ihnen, die helle des Kindes Jehamia Cohnalias. Hawkmoon drehte sich um und sah, daß das Kind jetzt auf der Plattform stand und den Runenstab in der Hand hielt.
„Hier, Herzog von Köln", sagte der Junge, und seine schrägen Augen leuchteten voll warmen Humors. „Nehmt, was Ihr Euch rechtmäßig verdient habt. Nehmt den
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