Legionare
zwischen den Terrassenfeldern bis zum Gipfel, den das riesige Steingebäude gänzlich einnahm. Es wirkte, als sei es gewachsen, denn seine gewölbten Dächer ahmten die Krümmungen verwitterter Felsen nach. Wie Tarathank wirkte es nicht militärisch. Es war ein Zuhause, das nicht die Ausmaße einer Burg aufwies, sondern die einer Kleinstadt. Dar war verwirrt und fasziniert von der Art, wie die Fensterbögen das Licht zurückwarfen. »Wieso funkeln die Fenster so?«, fragte sie.
»Sie sind mit Sandeis gefüllt«, erwiderte Zna-yat, »damit sich die Räume mit Licht und Wärme füllen. Es wird dir dort oben gefallen, Dargu.«
Dar zeigte ihm mit einer Geste, dass sie ebenso dachte, auch wenn sie es eigentlich bezweifelte. Da sie ihr Leben in einer Hütte mit nur einem Raum verbracht hatte, vermutete sie, sie würde sich in einem so großen Haus fehl am Platze fühlen. Mit wachsender Besorgnis trottete sie die Straße entlang, bis sie den Hauseingang erreichten. Er bestand aus zwei großen Flügeltürhälften mit kunstvoll geschmiedeten Scharnieren. Zwei Söhne, die weder Rüstung noch Waffen trugen, öffneten ihnen. Eine junge Mutter erwartete sie im Türrahmen und sprach Zna-yat auf Orkisch an. »Bruder! Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen!«
»Ich bin nur wegen dieser Mutter hier«, erwiderte Zna-yat und verbeugte sich vor Dar.
»Unsere Muthuri möchte es begrüßen«, sagte Zna-yats Schwester. »Führe es … Führe sie in unser Hanmuthi.«
Dar sagte nichts. Sie folgte Zna-yat und seiner Schwester durch einen langen Korridor. Himmelslichter aus Sandeis, die an der Decke hingen, erhellten ihn. Der Gang verlief wie eine sich ringelnde Schlange, und Dar nahm an, dass jede
Wendung die Außenwand eines anderen Hanmuthi markierte. Dies bedeutete, dass das Hanmuthi von Zna-yats Muthuri das vierte im Hausinneren war. Man betrat es durch einen Bogengang. Die Bearbeitung des Steins zeigte Bäume mit ineinander verflochtenen Ästen. So beeindruckend diese Kunst auch wirkte, es mangelte ihr an der Finesse der Reliefs von Tarathank.
Der kurze Gang führte in einen runden Raum, in dessen Mitte sich ein erhöhter Kamin und ein in der Decke verschwindender Kupferschornstein befanden. Die Rundbögen in den Wänden führten hauptsächlich in Nebenkammern, doch drei bildeten Fenster mit Sandeisscheiben. Die Fenster verblüfften Dar so sehr, dass sie die auf einem geschnitzten Holzstuhl sitzende Mutter erst bemerkte, als sie das Wort ergriff.
»Ich grüße dich«, sagte sie in der Menschensprache. »Ich bin Zor-yat. Zna-yat ist mein Sohn.«
Dar verbeugte sich. »Mer nav Dargu«, sagte sie. »Mer pahav Pahmuthi.« Ich bin Dargu. Ich spreche Orkisch.
»Du sprichst es gut«, erwiderte Zor-yat auf Orkisch. Sie fuhr in der gleiche Sprache fort: »Ich habe gehört, du hast meinen Sohn gerettet.«
»Hai. Ich glaube, es war Muth’las Wille.«
»Vielleicht«, sagte Zor-yat. »Doch es war deine Tat.« Sie verneigte sich. »Du wirst hier immer einen Platz haben.«
Dar verbeugte sich tiefer als Zor-yat. »Shashav, Mutter.«
Zor-yat deutete mit dem Kopf auf Zna-yats Schwester. »Das ist Nir-yat. Sie ist noch ungesegnet. Sie wird dich in alles einweisen.«
Dies war offenbar das Signal für Nir-yat, Dar hinauszuführen, was sie auch tat. Dar folge ihr durch eine Tür und einen langen Gang in eine unmöblierte kleine Kammer. In einer
Wand befand sich ein Fenster, das denen im Hanmuthi glich, doch kleiner war. »Wir werden uns diese Kammer teilen«, sagte Nir-yat, die darüber nicht glücklich wirkte.
»Wie schön sie ist!«, sagte Dar in dem Bemühen, dankbar zu erscheinen. Der Raum, weit vom Kamin entfernt, war kalt, obwohl Sonnenlicht durchs Fenster strömte. Dar fühlte sich schon verlockt, ihr Kef zu verschieben, damit einer der Umhänge ihre Brust bedeckte. Doch da Nir-yat barbusig blieb, tat sie es ihr gleich. Auch sonst hatte sie für das Zimmer nur Lob übrig. »Einen solchen Boden habe ich noch nie gesehen.« Sie deutete auf die Mosaiken, die ihn schmückten und Muth’las Umarmung darstellten. »Es ist, als ginge man auf Blumen.« Als Dar ans Fenster ging, traten zwei Söhne ein. Der eine trug unter jedem Arm eine Holztruhe; der andere brachte aufgerollte Matten und Eisenwürfel mit Seitenlöchern, Metallbeinen und umwickelten Griffen. Kohlen glühten in ihnen und erwärmten den Raum.
»Muthuri sagt, eure Art schläft im Liegen«, sagte Nir-yat. »Sie hat befohlen, dass etwas für dich gemacht wird, das ›Bett‹
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