Legionare
Kovok-mahs Schweigen wird daran nichts ändern. Dennoch schien dies ihre einzige Hoffnung zu sein. »Ich werde ihm sagen, dass er deinem Plan folgen soll«, sagte Dar. »Obwohl ich bezweifle, dass dies irgendetwas ändert.«
»Vielleicht ändert es nichts, Dargu«, sagte Zna-yat. »Doch es wird dir Zeit geben, und Kovok-mah kann dich sehen, solange seine Muthuri es ihm nicht verbietet.«
»Und wenn sie es verbietet?«
»Dann werdet ihr für immer getrennt sein.«
Dar versammelte die Orks. Zna-yat legte ihnen seinen Plan in allen Einzelheiten auseinander. Er war einfach: Sobald sie in vertrautes Gelände kamen, sollten sie sich trennen. Zna-yat und Dar sollten zum Sitz der Yat-Sippe gehen. Kovok-mah sollte mit den anderen weiterziehen und als Letzter zu Hause ankommen. Alle versprachen, Dar so wenig wie möglich zu erwähnen und sie nie Mutter zu nennen oder ihren Namen auszusprechen. So, hoffte Zna-yat, würde Kovok-mahs Muthuri Dar nicht mit dem ihrem Sohn anhaftenden Geruch der Liebe in Verbindung bringen.
Dar billigte Zna-yats raffinierten Plan, obwohl sie zwiespältige Gefühle empfand. Einerseits bot er ihr die – wenn auch geringe – Hoffnung, wieder mit Kovok-mah zusammenzukommen. Andererseits brachte er den Tag ihrer Trennung immer näher.
Je weiter die Gruppe nach Osten wanderte, umso gastfreundlicher wurde das Land. Oftmals schmiegten sich Bäume an die Bergwände, und der Weg wurde leichter begehbar. Diese Zeit war sowohl die erfreulichste in Dars bisherigem Leben als auch die melancholischste, denn in ihrer gegenwärtigen Zufriedenheit erschien ihr die Zukunft umso trostloser. Sie legte ein gemächliches Tempo vor und hätte die Reise auch gern ausgedehnt, wenn die Orks – mit Ausnahme Kovok-mahs – nicht so begierig gewesen wären, nach Hause zu kommen.
Nach zehn Reisetagen erreichten sie bekanntes Gebiet, und ihr Sapaha machte sich auf den Heimweg. Die Reisenden folgten einem Pfad, der zunehmend Anzeichen von Verkehr zeigte, und kamen an einen breiten Bach, über den eine kleine
Fußgängerbrücke aus Stein führte. Auf der anderen Seite gabelte sich der Weg. Kovok-mah kam zu Dar. »Dieser Bach mündet in den Fluss, der den Flis Muthi kreuzt.«
»Den die Washavoki Turgen nennen?«
»Hai«, erwiderte Kovok-mah. Er hielt inne und zögerte weiterzusprechen. »Hier müssen wir uns trennen.«
»Noch nicht«, sagte Dar. »Mein Brustkorb bricht.«
»Dein Brustkorb ist groß, Dargu. Zum Brechen ist er zu stark.«
»Ach, wäre es doch so«, sagte Dar und seufzte. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Lass uns noch eine Weile reden, bevor du gehst.«
»Ich kann so lange reden, wie du willst.«
»Dann musst du für immer sprechen«, sagte Dar. »Komm mit.« Sie nahm Kovok-mahs Hand und führte ihn an dem Bach entlang zu einem sandigen Ufer. Dort streifte sie ihre Sandalen ab und ging ins Wasser. Es floss klar und kühl um ihre Beine. Kovok-mah gesellte sich zu ihr. Dar lächelte. »Weißt du noch, als du mich zum Baden gezwungen hast?«
»Du hattest solche Angst«, sagte Kovok-mah. »Doch schon damals warst du grimmig.«
»Du hast gesagt, Wiesel wäre ein guter Name für mich.«
»Ist es noch immer.«
»Du hast auch gesagt, ich würde riechen.«
Kovok-mah umschloss sie mit den Armen und holte tief Luft. »Damals war ich dumm. Du riechst wunderbar.«
Er hielt sie umschlungen, und sie spürte sein Zittern. Tränen traten in ihre Augen. Sie wollte nicht weinen, doch die Anstrengung, ein Schluchzen zu unterdrücken, ließ sie ebenfalls beben. »Dargu«, flüsterte Kovok-mah. »Muth’la spricht nicht zu den Söhnen, aber eins weiß ich: Sie hat uns zusammengeführt — und sie wird es wieder tun.«
Dar wäre sich gern ebenso sicher gewesen, doch keine Vision sagte ihr ein solches Glück voraus. Trotzdem klammerte sie sich an diese Worte. »Hai«, sagte sie. »Ich werde deine Arme wieder spüren. Aber es wird eine Zeit dauern. Du solltest jetzt gehen.«
Kovok-mah ließ sie los. Dar stand reglos da und schaute in die Ferne. Sie konnte nicht zuschauen, wie er fortging. Doch sie lauschte seinen Schritten, bis sie verstummten.
Dar blieb im Wasser stehen, bis ihre Füße taub waren. Während der ganzen Zeit wünschte sie sich, es hätte keine Rolle gespielt, dass Kovok-mah und sie keinen Segen hatten.
Wäre er ein Washavoki gewesen, wäre es anders ausgegangen. Wir wären einfach durchgebrannt. Doch sie wusste, dass Kovok-mah sie nie entehren würde – nicht mal, um sie glücklich zu
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