Legionare
hatte noch nie ein Schwert oder eine Streitaxt gehalten und musste sie erst zu gebrauchen lernen.
Während sie fort waren, versteckte Dar sich zwischen den aufgestapelten Strohzelten und beobachtete die verängstigten Frauen, die gegen Abend wieder Grütze auftrugen. Es hatte den Anschein, dass sie erst vor kurzem gebrandmarkt worden waren, denn sie kannte keine.
Sie aß, als die Frauen fort waren, und wartete auf den Einbruch der Dunkelheit.
Als das abendliche Zwielicht gänzlicher Finsternis gewichen war, schlüpfte Dar aus der Unterkunft. Der Mond war noch nicht aufgegangen. Sie hatte ihr Hemdkleid angezogen, den Dolch darunter versteckt und widerwillig die warmen orkischen Stiefel zurückgelassen. Die kalte Erde kühlte ihre nackten Füße aus, während sie umherspähte. Im Dunkeln glichen die aufgereihten Unterkunftshütten schwarzen Schatten und ließen sich kaum unterscheiden. Vorsichtig schlich sie zu der Behausung, in der Kovok-mah wartete.
Das stille Feldlager wirkte wie verlassen, als Dar plötzlich Bewegung auf der Mauer sah. Ein Wächter, dachte sie und fragte sich, welchen Zweck er erfüllte. Wovor soll er das Lager schützen? Vor Überfällen? Vor Fluchtversuchen? Vor beidem? Wie auch immer, er war allein und verkörperte keine Gefahr.
Dar erreichte die freie Hütte. Der offene Eingang glich einem pechschwarzen Viereck. Sie betrat den dunklen Innenraum und sah sofort den fahlen Glanz zweier grüner Augen. Sie huschte darauf zu. »Kovok?«, flüsterte sie.
»Hai.«
Dar streckte die Hand aus und berührte Eisen. Kovok-mah trug eine Panzerjacke. Dar tastete nach seiner Hand, bekam sie zu fassen und wollte sie an ihren Busen heben. Aber sein Arm blieb hart.
»Kovok?«
»Du solltest nicht hier sein.«
Die Unterkühltheit seiner Stimme verdutzte Dar. »Du hast das Treffen doch vorgeschlagen.«
»Du solltest nicht in Taiben sein. Du musst fort.«
»Seit wann sagen Söhne Müttern, was zu tun ist?«, fragte
Dar und versuchte ihrer Stimme einen neckischen Tonfall zu verleihen.
»Das klingt nach der Klugheit meiner Muthuri.«
»Sprichst du von der Muthuri, von der wir den Segen erwarten? «
»Warum redest du Törichtes?«, fragte Kovok-mah. »Sie wird uns niemals segnen.«
»Ich habe Gegenteiliges gehört.«
»Hat meine Muthuri sich mit dir unterhalten?«
»Thwa, aber …«
»Mit mir hat sie gesprochen. Sie hat gesagt, Liebe trübt das Urteilsvermögen. Darum entscheiden ausschließlich die Muthuri, wer gesegnet wird.«
Erneut zog Dar an Kovok-mahs Hand. Sie blieb starr. »Fass mich an.«
»Es ist verboten.«
»Wieso?«
»Muthuri hat es gesagt.«
Es verdross Dar, dass sie Kovok-mah nicht sah, während er sie sehen konnte. Sie hatte das Gefühl, dass er sich versteckte. »Deinetwegen bin ich hier!«
»Ich habe dein Kommen nicht erbeten. Geh und vergiss mich.«
»So einfach ist es nicht. Ich kann dich nicht vergessen.«
»Muthuri sagt, du wirst mich vergessen.«
»Sie irrt sich.«
»Dargu-yat, du bist jetzt eine Urkzimmuthi-Mutter. Wie kannst du Muthuris Klugheit anzweifeln?«
Dar fühlte sich hintergangen. Ein Wort seiner Muthuri, und er lässt mich fallen. Wie kann er sich so schnell ändern? Da kam ihr eine schreckliche Erkenntnis. »Du hast es vorausgesehen! Du wusstest, dass wir niemals gesegnet werden.«
»Dargu-yat, bitte vergiss mich.«
»Du hast es gewusst. Du hast es gewusst!« Dar schlug nach den grünen Augen und traf das Kinn. Kovok-mah verharrte reglos. Sie schlug ein zweites Mal zu.
Dar wurde hin und her gerissen zwischen Wut und gebrochenem Herzen. »Kusk Washavoki!«, schrie sie die gemeinste Beschimpfung, die ihr in den Sinn kam. Dann rannte sie, den Blick verschleiert von Tränen, in die Nacht hinaus.
Ziellos lief sie dahin, bis jemand aus dem Dunkel trat und ihr den Weg versperrte. Bevor sie in eine andere Richtung eilen konnte, spürte sie eine Schwertspitze am Hals.
»Na, wen haben wir denn da?«, fragte der Söldner. »Ein Vögelchen, das ausfliegen möchte?«
28
DIE FURCHT ÜBERSCHWEMMTE Dars Geist mit Zorn und Sorge. Sie wusste, was mit Frauen passierte, die desertierten. »Du warst schön blöd, wenn du geglaubt hast, du könntest es schaffen«, sagte der Söldner.
»Ich wollte gar nicht weglaufen«, sagte Dar. »Er hat gesagt, wenn ich mich mit ihm treffe, schenkt er mir Schuhe.«
Der Söldner warf einen Blick auf ihre nackten Füße. »Wer?«
»Ich weiß nicht, wie er heißt. Ich bin gerade erst angekommen. «
Ihr Häscher kam, ohne das
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