Legionare
Fläschchen in die vor Dar kochende Portion. Als er gegangen war, tauschte sie die Töpfe aus.
Als Dar an diesem Abend die Mahlzeit auftrug, wirkte die Königin leicht verändert. Irgendwie schien sie hagerer geworden zu sein. Nachdem sie gegessen hatte, wurde ihr Blick klarer. »Ich glaube, die Sonne geht auf«, sagte sie. »Der Nebel löst sich langsam auf.« Sie lächelte Dar zum ersten Mal an. »Zor-yat war immer die Klügste von uns. Du bist ihre Tochter? Erzähl mir, wie es dazu gekommen ist.«
Dar beschrieb ihre Wiedergeburt, doch die Aufmerksamkeit der Königin schwankte. Als Dar fertig war, schaute die Königin aus dem Fenster. Eine Weile verging, bevor sie etwas sagte. »Das Denken fällt mir schwer. Vielleicht ist es morgen einfacher. Im Moment bin ich noch unsicher.«
»Unsicher? In welcher Hinsicht, Mutter?«
»In vielerlei Hinsicht.« Die Königin lächelte. »Nenn mich Tante. Erzähl mir was von zu Hause. Es ist gut, wieder etwas von den Müttern zu hören.«
In die Küche zurückgekehrt fühlte Dar sich ermutigt. Das Gift, das die Königin im Griff hatte, verlor offenbar an Wirkung. Vielleicht kann ich ihr in ein paar Tagen erzählen, was der König getan hat. Im Moment hielt sie es noch für verfrüht, seinen Verrat zu enthüllen. Sie bezweifelte, dass Muth Mauk schon fähig war, nach eigenem Ermessen zu handeln. Doch
wenn sie sie befreien wollte, war dies lebenswichtig. Wie ihr das gelingen sollte, war beim momentanen Gesundheitszustand der Königin allerdings noch nicht abzusehen. Dar wusste nur eins sicher: Jeder Fehler würde sich als tödlich erweisen.
Als Dar spülte, wurde die Tageswache der Königlichen Garde abgelöst. Sevren zog sich in sein Quartier zurück, doch viele seiner Kameraden gingen in die Tavernen. Auch Murdant Kol machte sich dorthin auf, obwohl er selten trank. Er hatte das Kopfgeld für Neena kassiert und wollte es für alkoholische Getränke ausgeben, um sich den guten Willen der Gardisten zu erkaufen und ihre Zunge zu lösen. Bald würde er die Identität von Crons Landsmann kennen. Dann konnte er Dars Spur erneut aufnehmen. Die Stadt war zwar groß, doch sie konnte sie nicht verlassen. Früher oder später würde er sie finden. Kol ging schneller.
Die Jagd hatte begonnen.
34
DARS HAUPTSORGE galt der Gesundheit der Ork-Königin. Von ihr hing alles ab. Solange Gift ihren Verstand vernebelte, saß Dar hier fest, denn sie hatte beschlossen, nicht ohne Muth Mauk zu verschwinden. Zwar wurde ihr Geisteszustand täglich besser, doch andere Dinge änderten sich ebenfalls: Je stärker ihr Verstand wurde, umso mehr verwelkte ihr Körper. Dar befürchtete, das Gift könnte wie ein Feuer wirken, das auf dem Rückzug nur verbrannte Erde zurückließ. Muth Mauk bemerkte ihre Besorgnis und versuchte sie zu beruhigen. »Sieh mich als austrocknende Frucht«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ich schrumple, doch das, was übrig bleibt, ist stärker.« Dennoch sah sie nach Dars Ansicht zerbrechlich aus.
Während Dar sich Sorgen machte, wurde ihr sonstiges Leben Routine. Wenn sie nicht kochte oder die Königin bediente, half sie Bea beim Schrubben und Putzen. Die fröhliche Gesellschaft der einfältigen Frau war ihr lieber als die anderer Bediensteter, die ihr Brandzeichen mit Hohn bedachten und sie hochnäsig behandelten. Wenn Sevren dienstfrei hatte, besuchte er sie. Er brachte immer kandierte Früchte für Bea
mit, die die Leckerei verzehrte, während er sich mit Dar unterhielt.
Zwar machte Sevren sich auch Sorgen um Dars Sicherheit, doch er kam aus anderen Gründen. Dar konnte zwar Gefühle der Liebe und Leidenschaft nicht riechen wie die anderen Urkzimmuthi-Mütter, aber in Sevrens Verhalten waren sie unübersehbar. Dars Anwesenheit überwältigte ihn. Er war in ihrer Gesellschaft nervös und glücklich und fast orkisch in seiner Rücksichtnahme. Trotzdem war er offen genug, sein Angebot zu wiederholen, seine Kammer mit ihr zu teilen. Jedes Mal, wenn Dar ablehnte, akzeptierte er ihre Entscheidung. Eines Abends brachte er ihr ein blaues Hemdkleid mit, das denen der Mägde ähnelte. Dar nahm es an, da es dazu beitrug, dass sie sich unter dem Personal unauffälliger bewegen konnte und weil er – wie schon bei den Schuhen – keine Auflagen mit dem Geschenk verband.
Dar war durchaus klar, dass Sevren ihr den Hof machte, doch sie ermutigte ihn genauso wenig, wie sie ihn entmutigte. Vielleicht würde sie seine Hilfe brauchen. Seine Gesellschaft war ihr angenehm. Alle
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