Legionen des Todes: Roman
worden waren. »Nein, nein, nein, nein, nein …«
Missy legte ihre zitternden Hände um Phoenix’ Fersen und versuchte sanft, sie nach vorn zu ziehen. Zerschmetterte Knochen knackten, doch die Füße bewegten sich nicht.
»Helft mir!«, schrie sie über ihre Schulter. Sie stand auf, fasste Phoenix um die Hüfte, Gesicht und Schulter auf die freiliegende Bauchmuskulatur gepresst, auf der das langsam gerinnende Blut schimmerte, und versuchte ihn anzuheben, um seine Arme zu entlasten. »Irgendjemand! Bitte! Helft mir doch!«
Er war kalt. So kalt.
Missy schaute hinauf in Phoenix’ Gesicht. Seine langen Haarsträhnen waren zu karmesinroten Klumpen verkrustet, sein Gesicht kalkweiß. Tiefe Schnitte verliefen kreuz und quer über Wangen und Stirn, und seine rosafarbenen Augen starrten leer auf sie hinunter, das Weiße darin nun ein wässriges Hellrot. Die geschwollenen, aufgeplatzten Lippen hingen in Fetzen, und darunter schauten die abgebrochenen Schneidezähne hervor. Der ganze Mund war eine einzige blutverschmierte Wunde.
»Nein!«, brüllte sie mit seinem Gewicht auf ihren Armen. Blut tropfte auf ihren Kopf. »Bitte, Gott! Hilf mir!«
Missy verlor das letzte bisschen Kontrolle, das sie noch hatte. Heulend schüttelte sie den Kopf, hob, riss und zog. Mit einem feuchten Schmatzen glitten Phoenix’ Hände auf den Nägeln ein Stück vorwärts. Missy zog, und seine Hände kamen frei, Phoenix’ Rumpf klappte vornüber und warf sie nach hinten um. Die scharfkantigen Schuttbrocken bohrten sich in ihren Rücken, doch Missy schaffte es, sich aufzusetzen, dann zog sie an Phoenix’ Hüfte, woraufhin sich auch die Füße mit einem knackenden Geräusch von dem Kreuz lösten.
»Wach auf, Phoenix!«, schrie sie, während sie ihn von sich herunterrollte. Sie beugte sich ganz dicht über ihn, bis ihr Mund nur noch Zentimeter von dem seinen entfernt war, und betete, sie möge seinen Atem auf der empfindlichen Haut auf ihren Lippen spüren, und sei es auch nur der kleinste Hauch. Doch seine Augen starrten durch sie hindurch, die Lider halb geschlossen und blutverkrustet, die Höhlen zwei große, violette Blutergüsse. »Bitte … wach auf.«
Ihre Worte wurden zu einem klagenden Stöhnen, schließlich brach Missy über ihm zusammen, schlang ihre Arme um ihn und presste ihn an sich. So kalt . Sie lagen Wange an Wange, Herz an Herz. Zwei Herzen, die nie wieder gemeinsam schlagen würden.
»Nimm ihn mir nicht weg«, schluchzte sie, ihre Hände zu Fäusten verkrampft, während das Geröll darunter sich in ihre Knöchel und Handrücken schnitt. »Er ist alles, was ich habe. Bitte, Gott … Ich liebe ihn. Bitte …«
Der himmlische Lichtstrahl, der durch das Gebäude hindurch auf ihn gefallen war, verschwand. Ein eiskaltes Schaudern durchflutete sie. Missy hob den Kopf, küsste ihn sanft auf die erstarrten Lippen, dann wanderte ihr Blick an dem schwarzen Turm entlang hinauf in den Himmel. Sie sah zwei blutrote Augen, die sich vor einer schwarzen Silhouette abhoben und in die ihren starrten. Es waren diese Augen, von denen die Kälte ausging.
»Komm!«, kreischte sie, richtete sich mühsam auf und fasste Phoenix unter den Achseln. Eine Blutspur hinter sich herziehend, hob sie ihn hoch und zog ihn den rutschigen Hügel hinunter, weg von dem Kreuz. Wankend zog sie ihn weiter, bis sie den Fuß des Hügels erreichte, dann hinaus auf den Vorplatz, über den Bordstein und auf die Straße.
Hinter ihr donnerte ein Schuss und übertönte ihr Schluchzen. Unbeirrt zog Missy Phoenix weiter, weg von dem verdunkelten Kreuz.
Das Klappern galoppierender Hufe erschallte wie Donner.
Ein weiteres Peng! , gefolgt von einem Schrei, der nicht wie der eines Menschen klang.
Missy zog Phoenix hinter eine Asphaltscholle, die aus dem Boden ragte wie ein teerschwarzer Grabstein. Sie kniete sich über ihn und streichelte seine Wange, merkte nichts von dem Chaos hinter ihr oder den wilden roten Augen, die sie von dem Turm herab beobachteten. Phoenix’ Wunden gaben nach unter der Berührung ihrer Fingerspitzen, doch kein Blut quoll heraus. Ihre Tränen fielen auf sein bleiches Gesicht. Endlich schloss sie seine Augen, dann brach sie über ihm zusammen und hielt ihn, so fest sie nur konnte. Sie würde ihn nie wieder loslassen.
Ihre Schultern bebten, und Missy weinte haltlos.
Die Welt um sie herum wurde erschüttert von Schreien.
III
Die erste Kugel flog zischend über Evelyns Schulter und traf das Pferd des größeren der beiden Reiter in den
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