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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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stockte. Die Farbe des trockenen, toten Dornengestrüpps auf Geißels Schwanz hatte sich von einem bräunlichen Gelb zu Grün verändert, das nun an ihrem Körper entlangwuchs und sich in alle Richtungen über den Boden und die herumliegenden Trümmer ausbreitete.
    Evelyns Blick schoss wieder zu Hunger, der nun schon fast bei ihr war, sie glaubte, ein kurzes, verunsichertes Zucken in seinem Lächeln zu sehen.
    Sie sah wieder nach unten, sah, wie die Ranken sich unter ihm zu einem dichten Geflecht ausbreiteten und mit atemberaubender Geschwindigkeit bis unter den Umhang vordrangen wie Schlangen, die in die Sicherheit ihrer dunklen Grube fliehen. Ihre Arme kribbelten, während ihre Hände den toten Schwanz mit neuem Leben erfüllten. Evelyn dämmerte die naheliegende Erkenntnis, dass sie die Ursache des Phänomens war, wenngleich sie nicht wusste, wie sie es anstellte. Sie betete, dass der Prozess nicht plötzlich aufhören würde.
    Die Ranken breiteten sich weiter über ihre Arme und Schultern aus, wuchsen in die Höhe und streckten ihre schlangenartigen Schwänze nach der Sonne. Die Welt um sie herum war in einen grünlichen Schimmer getaucht, der von Evelyn auszugehen schien.
    Hunger versuchte, den letzten zwischen ihnen liegenden Meter zurückzulegen, doch er war wie am Boden festgewachsen. Die Ranken seines toten Reittiers schlängelten sich um seine Knöchel und die Beine hinauf, wickelten sich um Hüfte und Rumpf. Von innen schnitten seine Klauen durch den ledrigen Umhang und zerfetzten ihn. Sein ganzer Körper war bereits von dem grünen Zeug umschlungen. Er krallte seine Finger in das Geflecht und riss es auseinander, doch die Löcher wuchsen sofort wieder zu. Hunger konzentrierte sich, und einige der Ranken begannen sich braun zu verfärben und abzufallen, jedoch viel zu langsam, und manche davon erfassten bereits seine Hände und schossen die Arme hinauf. Grüne Adern leuchteten auf seiner Brust und streckten sich über den Hals bis hinauf in sein Gesicht, wo sie aufleuchteten wie smaragdgrüne Blitze, die über seine Augen zuckten und sie zerspringen ließen, als wären sie aus Glas. Klirrend regneten die Splitter auf den Boden zu seinen Füßen.
    Evelyn pumpte weiter ihre Lebenskraft in das Dornengestrüpp, das sie aufsaugte wie Wasser und sich bereits über die ganze Straße ausgebreitet hatte. Sie war eins mit diesen Ranken. Mit einem krachenden Geräusch zerbrachen sie das Pferdeskelett neben ihr und zermahlten es zu immer kleineren Splittern und schließlich zu Staub, bis nichts mehr davon übrig war.
    Die Reben schlangen sich um Hungers Hals und breiteten sich über sein Gesicht aus. An den Stellen, an denen sie sich festhielten, durchstachen die Dornen seine Porzellanmaske, und das Gestrüpp an seinem Hals zog sich zusammen wie eine Schlinge aus Stacheldraht. So etwas wie Angst stand für einen kurzen Moment auf seinem Gesicht geschrieben, dann zerrissen ihn die Ranken. Zuerst die Überreste des Umhangs über seinen Schultern, dann folgten die Arme. Seine Augenhöhlen barsten, eine Staubwolke schoss aus ihnen heraus, aufgewirbelt von Myriaden von Heuschreckenflügeln, die in die Luft stoben, bevor ihre Bewegungen plötzlich erstarrten und ihre Chitinhüllen auf die Erde niederregneten, wo sie von dem wogenden Gestrüpp verschlungen wurden. Hunger stieß einen spitzen Schrei aus, der jäh von den Sägebewegungen der Ranken über seinem Gesicht beendet wurde. Mit einem Krachen implodierte sein Schädel, schimmernde Splitter flogen durch die Luft und zerhäckselten die Heuschrecken, die sich aus seinem offenliegenden Hals ergossen. Doch immer noch stand er auf seinen zwei Beinen, aufrecht gehalten von der schieren Masse der Vegetation, die ihn umschlungen hatte.
    Evelyn musste nach Luft schnappen aus Ehrfurcht vor dem, was sich vor ihren Augen abspielte. Die Ranken an ihren Armen ließen los und glitten zurück in den scheinbar flüssigen grünen Teppich unter ihr, sodass sie aufstehen konnte. Über die Pflanzendecke hinweg ging sie zu Hungers Leiche. Sie spürte instinktiv, dass das Grün sie ihr zeigen wollte.
    Jede einzelne Ader in ihrem Körper leuchtete durch die Haut, als würde kein Blut darin fließen, sondern Licht. Der Schimmer verblasste langsam, bis ihre Haut wieder ihren gewöhnlichen rosafarbenen Teint angenommen hatte.
    Sie wandte sich von dem Ungeheuer ab und hörte den Lärm, mit dem seine Überreste in Stücke gerissen wurden, ausgelöscht, als hätte es nie existiert.

VIII
     
    Adam

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