Legionen des Todes: Roman
flüsterte die Stimme seines Herrn im Kopf des Leviathan. Schon bald würde er seine Chance bekommen, aber der Meister hatte größere Pläne für sie. Sobald sie seinen Turm erreichten, konnte der Leviathan sie haben. Alle außer einem. Und dann würde er sie entzünden wie Fackeln und sich an ihren Todesschreien weiden.
Das Rudel hatte sich töricht verhalten. Wie die Wilden, die sie waren, waren sie ihrem eigenen unstillbaren Hunger zum Opfer gefallen. Letztendlich waren sie nichts anderes als Straßenköter, die ihrem eigenen Schwanz nachjagten. Ganz gleich, wie stark sie gewesen sein mochten, viel zu leicht waren sie in ihren eigenen Tod gerannt. Dennoch, ihren Daseinszweck hatten sie erfüllt: Nicht ein einziges lebendes Wesen befand sich noch auf dem Weg, der sie zu dem Gebieter des Leviathans führen würde. Diesmal war ihre Beute allein, jeglicher Hilfe beraubt. Sie würden es bis zu ihrem Bestimmungsort schaffen, und was sie dort finden würden, war Tod.
Die Augenlider des Leviathans schlossen sich abrupt, und das Feuer seines Bewusstseins verblasste. Als er seine Augen wieder öffnete, starrte etwas ganz anderes aus den Höhlen, etwas, das in seinem Thronsaal aus Knochen saß, der nun gar nicht mehr so weit entfernt war. Tod übernahm die Kontrolle über das Bewusstsein der Feuerbestie und betrachtete seine Beute. Hustend und blutend lagen sie auf der Erde und erschienen ihm weit schwächlicher, als er sie sich je vorgestellt hatte. Er kam sich töricht vor bei dem Gedanken, sie jemals als Bedrohung angesehen zu haben. Wie sie den Angriff des Schwarms oder selbst den des Rudels überlebt hatten, war ihm ein Rätsel. Nein. Ihnen war geholfen worden. Ihre Geschicke wurden von der Hand des Göttlichen geleitet. Doch damit war es nun vorbei. Er konnte ihnen nur bis zu diesem Punkt helfen, ab jetzt waren sie auf sich selbst gestellt. Nur einer von ihnen hatte die Macht, die auch Tod besaß – sein Gegenspieler, sein Doppelgänger, und wenn sein schwächliches Fleisch erst einmal von den Knochen gerissen war, würden die anderen fallen, hinweggefegt wie die Samen einer Pusteblume.
Er beobachtete seine Feinde, wie sie durch den Schlamm krochen und an dem Rauch würgten. Jedes Husten ließ die Wunden auf dem Rücken des Jungen wieder aufplatzen und verhinderte, dass der Blutstrom versiegte. Doch das würde er, wie Tod wusste. Die Bestimmung des Jungen war nicht, hier in der Wildnis zu sterben, sondern durch die Hand von Tod, und das nach Qualen, die der Junge sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht ausmalen könnte. Ein Teil von Tod bedauerte ihn, doch konnte er nicht zulassen, dass dieses Gefühl sich in echte Anteilnahme verwandelte. Sein Gegenspieler war nicht mehr als ein Kind, ein naiver kleiner Junge mit zarter Haut, langem, zotteligem Haar und einer Physis, die ihn nicht mehr einschüchterte, als einer Gottesanbeterin das bei einem Löwen gelingen würde. Was konnte den Herrn zu einer so krassen Fehleinschätzung gebracht haben, all Seine Hoffnung für die Menschheit in ein so zerbrechliches Gefäß zu füllen?
Genüsslich würde er diesen Kelch zerschmettern und nicht nur seine Hülle vernichten, sondern auch den Geist brechen.
Lass sie kommen .
Die Augen des Leviathans schlossen sich wieder, und diesmal öffneten sie sich viel langsamer, während das Gehirn der Bestie wieder die Kontrolle übernahm, als würde es eben erst geboren. Eine Brise kam auf und blies den Rauch zur Seite. Die Flammen flackerten wie Fahnen im Wind, und einen Moment lang war der Leviathan sicher, dass einer von ihnen ihn gesehen hatte.
Er wirbelte herum und rannte los, pflügte durch die unbezähmbaren Flammen, die nach ihm leckten und versuchten, wieder zu verschmelzen mit dem, der sie erschaffen hatte. Mit jedem Schritt wurde er schneller und jagte schließlich dahin wie ein Komet, einen Feuerschweif hinter sich herziehend.
Er wusste, wohin er gehen musste, kannte den Ort, an dem er warten würde.
Die Befehle seines Herrn leuchteten so hell in seinem Bewusstsein, als wären sie auf die Innenseite seiner Augenlider geschrieben.
Sie würden zu ihm kommen.
Und sie würden brennen.
BUCH SECHS
I
DER PFAD DES BLUTES
Phoenix spürte, wie eine eiskalte Hand in die Wunden auf seinem Rücken fuhr und nach seiner Wirbelsäule griff. Kältewellen schossen durch seinen Körper. Er hatte Tod bereits gespürt, von weit weg, doch dieses Gefühl war etwas ganz anderes. Sein Gegenspieler war jetzt ganz in der
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