Lehmann, Christine
der gestern festgenommene Wohnsitzlose den Handt a schenraub gestanden habe. Er habe sie einer Frau wegg e nommen, die auf einer Bank am See gesessen habe und mit einem Säugling beschäftigt gewesen sei. Die Handt a sche habe unbeachtet auf der Bank gestanden. Die B e schreibung der Frau mit dem Säugling treffe auf Richt e rin Depper zu. »Wir haben vor zwei Stunden eine Pressemi t teilung herausgegeben«, fügte Christoph an. Nur deshalb erzählte er mir das. »Da gegen den Mann ein Haftbefehl aus Freiburg vorliegt, haben wir ihn dabeha l ten.«
»Dann hat das also nichts mit dem Fall Depper zu tun.«
»Nein. Und frag mich jetzt nicht, was es Neues gibt.«
»Habt ihr den Selbstmord von Nina Habergeiß auf dem Schirm?«
Es gab ein Loch in Christophs Kommunikation. »Nein«, sagte er schließlich. »Was ist das für eine S a che?«
Ich erklärte es ihm. »Sie war eine von Deppers Fä l len.«
»Aber Fremdverschulden ist auszuschließen?«
»Fremdschuld nicht, aber euer polizeideutsches Frem d verschulden wahrscheinlich. Was eure Spurens i cherung festgestellt hat, weiß ich nicht. Und das Ergebnis der O b duktion kenne ich auch nicht.«
»Ich werde mal nachfragen«, sagte Christoph.
»Habt ihr schon mit Ambrosius Baphomet gespr o chen?«
»Mit wem?«
»Mit dem Leiter des Waisenhauses Sonnennest im Mahdental. Alle Kinder, zumindest ein großer Teil von denen, die das Jugendamt in Obhut nimmt, wandern zu ihm und dann in Pflegefamilien .« Mir schwebte auf der Zunge, dass Alena vermutlich aus dem Sonnennest stammte, aber aus einem mir momentan nicht verständl i chen Grund wollte es mir nicht von den Lippen. »Ich komme gerade von dort. Er hat mich zwei Stunden lang in den Karzer gesperrt. Und zwar mit Gewalt. Bei dem läuft etwas sehr unrund.«
Christophs Schweigen war verräterisch.
»Oder habt ihr eine andere Spur, eine heiße Spur wo möglich?«
»Darüber kann ich mit dir nicht sprechen, Lisa. Das weißt du doch. Aber, na ja, rein statistisch gesehen we r den die meisten Tötungsdelikte im familiären Umfeld bega n gen.«
»Ihr habt den Ehemann im Verdacht?«
»Dazu kann ich wirklich nichts sagen.«
Es reichte mir schon. »Darf ich kurz spekulieren? Ihr habt keine Fremd-DNS am Fundort gesichert.«
»Du weißt doch, das ist in der freien Wildbahn immer schwierig. Und Depper hatte einen Job mit Publikum s verkehr. Mantel und Schal hingen in Garderoben. Wir haben jede Menge Fremd-DNA an ihren Kleidern gefu n den, aber … Man muss halt auch ein Pendant dazu h a ben.«
»Und sonstige Spuren?«, fragte ich. »Erde, Steine, Kiesel, Pflanzen, Insekten? Habt ihr klar, wo Sonja Dep per in den Stunden vor ihrem Tod war?«
»Im Wald, Lisa. Aber wo genau … tja. Am See, auf Kieswegen. In Pferdemist ist sie auch getappt.«
»Na siehste! Dann war sie im Sonnennest, Christoph!« Ich schrie es fast. »Die haben Ponys dort. Dass die Stut t garter Forstverwaltung den Wald um die Bärenseen für Pferde freigegeben hat, halte ich für ausgeschlossen. Aber das könnt ihr ja abklären. Und wenn ihr noch Sand vom Sandkasten auf dem Heimgelände an Deppers Sch u hen finden würdet, war alles geschwätzt.«
Christoph lachte. »Als ob wir das zum ersten Mal ma chen würden.«
»Habt ihr gefragt, ob dem Sonnennest ein Kind fehlt?«
»Die Kollegen haben alle Waisenhäuser und Kinde r einrichtungen gecheckt.«
»Woraus schließt ihr eigentlich, dass Sonja Depper Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist?«
»Darüber kann ich mit dir nicht sprechen, Lisa. Das ist Täterwissen.«
Ich nahm mir vor, meine Fotos vom Fundort noch mal genau anzuschauen und das Gespräch zu beenden. »Grüß mir Bethe. Dem Kleinen geht es gut?« Wie hieß er doch gleich? »Eurem Jan-Marcel.«
»Lisa, du wirst doch nicht auf deine alten Tage anfa n gen, dich für Kinder zu interessieren! Oder färbt das ab?« Er lachte. »Dein Weber war vorhin hier zum DNA-Abgleich. Eine süße Krott, wirklich. An deinem Weber«, sein Gelächter wurde männlich, »ist echt eine Mutter … Verzeihung, ein Vater verloren gegangen. Tragisch, dass er die Krott wieder hergeben muss und selber nicht kann.«
Es klang nicht, als bedauerte Christoph das auch nur im Geringsten.
Auf den zweiten Anlauf entließ mich Brontë aus ihrem Käfig von Sitz und hölzernem Lenkreifen. Welche Hau s nummer war das noch mal gewesen, wo Katarinas Freu n din wohnte? Und wo verflucht hatte ich den Zettel hing e tan? Ich versenkte die linke Hand in den verschi e denen, auch
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