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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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Depper war am Mittwochmittag bei den Baphomets draußen gewesen. Es hatte Streit geg e ben. Sie hatte dem Ehepaar etwas vorgehalten oder ang e droht. Sie hatte irgendetwas entdeckt, das Ambrosius und Rosalinde, mindestens aber ihm, das Genick brach.
    So bedrohlich musste die Reaktion der Heimleitung für die Richterin gewesen sein, dass sie nicht zur Straße geflüchtet war, wo sie an der Landstraßen-Bushaltestelle lange ohne Deckung hätte warten müssen, sondern in den labyrinthischen Wald, der das Heim umgab. Und zwar mit einem Säugling auf dem Arm, den sie womöglich vor irgendeinem unerträglichen Schicksal hatte bewahren wollen. Ehrenwert. Nur dass eine Richterin das Gesetz eben auch nicht in die eigene Hand nehmen durfte und nun ein Problem hatte. Deshalb hatte sie Richard anger u fen, damit er das Problem für sie löste.
    Doch wie ließ sich das beweisen?

22
     
    Am Tunnelausgang zum Marienplatz hatte ich unter Pr o test meiner Schulter das Handy aus der Parkatasche g e fischt. Das Display teilte mir mit, dass Sally viermal a n gerufen hatte. Ich bog in die Filderstraße ab, hielt an der nächsten Bushaltestelle, stellte den Motor aus und rief Sa l ly an.
    »Was denkst du dir eigentlich?«, schrie sie.
    »Tut mir leid, Sally, aber ein Waisenhausleiter hat mich zwei Stunden in den Karzer gesperrt.«
    »Die Ausrede ist noch besser als die, dass du auf dem Mond warst und mir nicht hast sagen können, wo du steckst.«
    Bis heute glaubte Sally mir nicht, dass man mich für ein paar Tage auf den Mond entführt hatte [3] . Ich selbst glaubte es auch schon fast nicht mehr. Keine Zeile hatte ich darüber schreiben dürfen. Die Herren waren sehr freundlich gewesen, keine Drohung war gefallen. Ich ha t te es sozusagen selbst eingesehen. Folgerichtig hatte es meiner Existenz als Schwabenreporterin Lisa Nerz nicht zu dem von mir insgeheim erhofften Ruhm verho l fen . Und Sally neigte wie viele Menschen dazu, mir nur das zu glauben, was durch einen gewissen öffentl i chen Wi r bel und Pressestimmen bestätigt wurde.
    »Ich habe heute früh zweimal versucht, dich auf ve r schiedenen Telefonen anzurufen«, sagte ich. »Aber du bist nicht rangegangen. Da habe ich gedacht, du hast dich mit Katarina zum Boykott gegen mich verbündet.«
    »Was faselst du denn da?«
    »Ich dachte nur … aber egal …«
    »Nein, das möchte ich jetzt wissen, Lisa.«
    »Ich bin gerade total neben der Spur, Sally. Erst habe ich gedacht, es ist alles ganz klar. Da geschieht Unrecht, und ich muss mich einmischen. Aber alle mischen sich ein und retten Kinder, und es kommt nur furchtbares Elend dabei heraus. Warum ist das so? Kannst du mir das s a gen?«
    »Ich sag dir was, Lisa. Du legst dich jetzt schön in die Badewanne, vergisst die Blagen und Richards Papaglück, und heute Abend komme ich zu dir und wir gucken Kocharena .«
    »Brrr!« Mir schwindelte vor Glück. Sally war wieder gut mit mir.
    »Übrigens, Katarina …«
    Wegen der hatte ich eigentlich angerufen. »Ja?«
    »Sie ist heute früh in die Schule und wollte danach zu einer Freundin. Ich habe die Adresse. Hast du was zu schreiben?«
    Ich fand einen ausgedienten Parkschein im Parka und einen Kuli.
    »Jovana Nemkova, Ostendstraße 74 b. Hast du das?«
    »Hab ich.«
    »Dann bis heute Abend.«
    »Ja … au Scheiße!«, fiel mir ein. »Ich muss doch zu meiner Mutter!«
    »Na dann ein andermal. Und grübel nicht so viel über andere Leute, denk auch mal an dich.«
    Wenn sie es sagte! Mein rechtes Schultergelenk fühlte sich zwar an, als wüchse darin ein Tennisball, aber wozu brauchte man zwei Arme? Der Zündschlüssel saß beim Porsche ja bekanntlich links. Und Bront ë schnurrte ve r gnügt.
    Jovana Nemkova, irgendwo hatte ich den Namen doch schon mal gehört. Aber nicht grübeln! Im Autoradio me l deten sie, dass die Polizei im Todesfall der Stuttgarter Amtsrichterin einen sogenannten »mutmaßlichen Mö r der« festgenommen habe. Er habe ein Teilgeständnis a b gelegt. Wieder einmal fragte ich mich, ob die Journalisten e i gentlich wussten, was das war.
    Ich stellte Brontë in Sichtweite der Polizeidienststelle ab. Die Ostendstraße war eine Welt für sich. Räder und Autos fand man schon mal ohne Reifen und mit eing e drücktem Seitenfenster wieder. Und Brontë war alt, klein und bucklig und konnte sich nicht wehren.
    Mein erster Versuch auszusteigen scheiterte am Te n nisball in meiner Schuler. Ich wartete, bis der Schmerz nachließ, und rief Christoph an. Er bestätigte mir, dass

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