Lehmann, Christine
gesagt. Und wenn Sie nicht wollen, dass Ihre Mutter auf dem Sofa schläft, dann schlafen Sie doch selber dort.«
Ich holte ganz tief Luft. Richard machte eine be sc h wichtigende Geste und wandte sich mit ganzer Breite der Göre zu.
Katarina lächelte schon betreten, bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte. »Okay, okay. Ich schlafe auf dem S o fa. Mit mir könnt ihr es ja machen!«
»Sie!«, sagte Richard.
»Was jetzt?«
»Ich möchte, dass du mich siezt, Katarina.«
Spinnt der jetzt total?, fragte ich mich.
Katarina verstand auch nichts mehr. »Was? Was habe ich denn gesagt?«
»Du hast gesagt: Mit mir könnt ihr es ja machen. Ihr … zweite Person Plural. Außerdem stimmt es nicht, dass wir …«
»Stimmt sehr wohl!«, kreischte Katarina. »Ich wollte nicht hierher. Sie haben mich gezwungen. Ich bin nicht freiwillig hier. Sie haben mich entführt! Ich könnte zur Polizei gehen. Und außerdem …« Ihre Augen glitzerten schlau. »Außerdem haben Sie mich angefasst. Das ist sexuelle Belästigung. Ich brauche Sie nur anzuzeigen. Dann stecken Sie in der Scheiße! So ist das!«
Richard schluckte. Sogar Alena auf seinem Arm hielt für einen Moment den Atem an. Für zwei Sekunden war es ganz still.
»Ja, ich gehe zur Polizei«, kreischte Katarina, außer sich. »Jetzt gleich. Daran können Sie mich nicht hindern. Ich zeige Sie an wegen Entführung. Das kann ich m a chen. Wie wollen Sie das verhindern? Oder wollen Sie mich hier mit Gewalt festhalten?«
»Nein, Katarina«, antwortete Richard leise. »Gott b e wahre! Und du hast recht. Du kannst mich in Schwieri g keiten bringen, wenn du zur Polizei gehst und behau p test, wir hätten dich entführt und ich hätte dich in unla u terer Absicht angefasst. Es stimmt, für einen Erziehung s au f trag dir gegenüber fehlt mir die Unterschrift deiner Eltern beziehungsweise des Jugendamts.«
»Sag ich doch. Sie können mir überhaupt nichts befe h len! Sie haben überhaupt kein Recht!«
Richard nickte. »Und ich bin dir auch nicht gewac h sen, Katarina. Offensichtlich brauchst du Fachleute, die dir beibringen, nach welchen Regeln wir miteinander l e ben.«
Katarina blinzelte. »Wie … wie meinen Sie das jetzt?« Sie begann nervös auf einem Fingernagel herumzukauen. »Ich muss ins Heim. Das wollen Sie sagen. Sie schieben mich ab, weil …«
»Weil du mir drohst, Lügen über mich zu verbreiten, sobald dir etwas nicht passt, was wir von dir verlangen. Das Risiko ist mir zu hoch, Katarina.«
Sie knabberte. »Und was heißt das jetzt?«
»Ich liefere dich unverzüglich bei den Behörden ab.«
»Jetzt gleich?«
»Wenn du das möchtest.«
Sie ließ die Hand fallen und schüttelte den Kopf. »Das möchte ich nicht. Ich … ich möchte lieber hierbleiben. Ich schlafe auch auf dem Sofa. Ich könnte die Kissen auf den Boden legen. Dann muss ich mir nicht so den Hals verrenken.«
Richard schlitzte die Augen. Ich fragte mich, ob Kat a rina klar war, dass sie von ihm keineswegs eine zweite Chance bekommen hatte, sondern nur Aufschub.
»Warte, ich hol dir Wäsche«, sagte meine Mutter. Sie gingen hinaus.
Richard nahm das Teefläschchen, das meine Mutter eben gefüllt hatte, hielt es sich gegen die Wange und drehte den Kaltwasserhahn auf, um es darunter zu halten.
»Haben wir jetzt die ganze Schlacht gewonnen oder nur ein Gefecht?«, fragte ich.
»Frag mich was Leichteres, Lisa.« Alena furzte leise auf seinem Arm. »So ist gut. Scheiß es raus. Dann geht es dir gleich besser.«
»Das waren die Bohnen, die Mama ihr gegeben hat.«
Geduldig wippte Richard das greinende Scheißerchen auf dem Arm und schüttelte nicht ganz so geduldig das Fläschchen unterm Wasserhahn. »Ich hoffe, dass Katar i na morgen früh bei der Frage, wer das Mohnbrötchen b e kommt, nicht wieder aufs Ganze geht. Ich verstehe das nicht, Lisa. Als ob bösartige Lügen über einen anderen ein legitimes Mittel wären, um sich durchzusetzen. Wo lernen die Gören das?«
»Was willst du? Du hast es doch fein hingekriegt. Deine Tochter hätte ich nicht sein mögen, weißt du das?«
»Wieso?« Er klang betroffen.
»Von wegen, du seist Katarina nicht gewachsen. Ze r legt hast du sie. Himmel! Meine Mutter hat auch schon mal gedroht: Dann kommst du eben ins Heim. Aber das klang nie so, als müsste man es ernst nehmen.«
»Ich wollte Katarina nicht drohen.«
Ich musste lachen. »Ich weiß, Richard. Katarinas ei n zige und unabwendbare Zukunft ist das Heim. Oder eine Pflegefamilie, wenn sie Glück
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