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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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nicht.«
    Ein Gedanke, der mir noch nicht gekommen war.
    »Und wo lebt sie?«, fragte Sally.
    Ich legte den Finger an die Lippen. Es waren stets e r hebende Momente in meinem irdischen Dasein als Schwabenreporterin Lisa Nerz, wenn ich mich auf me i nen Informantenschutz berufen konnte. Es gab mir das G e fühl, am großen Gerumpel der Welt beteiligt zu sein.
    »Und deshalb muss ich mal für ein paar Tage weg. Könntest du Cipión solange nehmen?«
    Sally deklinierte rasch ihre Jobs durch. »Also morgen bin ich den ganzen Tag in der Redaktion« – sie war Sek r e tärin in einer aktuellen Redaktion des SWR – »und abends bediene ich im Tauben Spitz. Und übermorgen schaff ich vormittags bei Claudia, ich habe dir doch e r zählt, sie hat ein Studio für Tattoos eröffnet und ich …«
    »Schon okay, Sally.« Ihre Senta konnte sie solange al leine lassen, aber meiner würde ihr die Wohnung zerl e gen und die Katzen massakrieren oder umgekehrt.
    »Sonst gerne, Lisa!«
    »Ich weiß, Sally. Dann nehme ich ihn halt mit.«
    Zumindest über Cipións Schicksal hätte ich mir dann keine Gedanken mehr machen müssen.
    »Und Richard? Kann der ihn nicht nehmen?«, fragte Sally.
    »Der ist auch unterwegs.«
    Ihre Augen wurden erneut mahnend. »Du hast dich doch nicht etwa wieder mit ihm verstritten.«
    »Nein. Er glaubt auch, dass es Mord war. Aber pst! Nicht offiziell.«

7
     
    »Diese Erde hier ist der Mond, den Ihr von Eurer Wel t kugel aus seht, und dieser Ort hier, an dem Ihr Euch auf haltet, ist das Paradies.« Reise zum Mond, Savinien C y rano de Bergerac, 1649
     
    Irgendwie musste ich Sally erreichen. Das war im Prinzip auch möglich, denn wir befanden uns ja nicht hinterm Mond. Und selbst dann hätte man die lunaren Grüße über die Mondorbitstation zur Erde schicken kö n nen.
    »Vorsicht auf der Treppe«, sagte Tamara.
    Meine räumliche Optik funktionierte nach drei Tagen Kopfstand und Wand vor Augen irgendwie nicht richtig. Ich stolperte, weil ich die dritte Stufe für die zweite gehalten hatte oder umgekehrt. Immerhin weckte der Beinahesturz meine neuronalen Notaggregate.
    »Ich muss mal telefonieren«, sagte ich.
    »Selbstverständlich. Ihr werdet gleich Gelegenheit h a ben …« Und so weiter. Mein Hirn siebte selbst die G e genwart ins Vergessen. Was hatten die mir nur gegeben?
    Wir durchstiegen ein Deck, dessen Modulparzellen mit Labortechnik vollgestopft waren, das payload Serv i ce deck. In den Rundungen saßen genormte Einbauschrä n ke, racks genannt, angefüllt mit Experime n tierkästen, wie sie von Universitäten, Instituten und Firmen komplett he r aufgeschickt wurden. Kaum zu gla u ben, dass es noch eine Steigerung der Instrumentendichte und der Techni k ballung gab, aber es gab sie.
    »Alles vollautomatisch«, sagte Franco, als hätte er ’ s erfunden.
    Zwischen Kabelgirlanden, Roboterarmen und Bil d schirmen sah man kurz eine menschliche Gestalt im vi o letten Anzug der Artemis vorüberhuschen.
    Die crew quarters befanden sich im dritten Oberdeck. Was man im spinalen Treppenhaus von den bauchigen Wänden der sechs Habitatwürste sah, variierte im Gra u ton: stahlgrau die drei amerikanischen Module, eierschale n weiß das der ESA und schneeweiß das japanische.
    Tamara wies mich ins japanische Modul. »Das ist de i ne Koje, das der Spind. Dein Gepäck müsste schon da sein. Du findest dich zurecht? In zehn Minuten oben in der Cupola! Okay?«
    Ich nickte und hatte es sofort vergessen. Welches G e päck?
    Die Einbauschränke verkleinerten die runde Parzelle zum Sechsflach. Auf der einen Seite befand sich die Tür, auf der anderen ein Bullauge. Aber es war nicht offen und gestattete keinen Blick nach draußen. Später wurde mir klar, dass derzeit das Sonnenlicht auf diese Seite des Habitats knallte und deshalb die Schutzschilde geschlo s sen waren.
    Die restlichen vier Flächen des Quartiers waren mit je zwei übereinanderliegenden Kojen ausgestattet. Gerad e zu luxuriös. Auf der Fähre hatten wir in Schlafschläuche kriechen müssen, um nicht herumzufliegen. Darin hätte ich schlummern können wie ein Embryo in der Uteru s suppe, wäre nicht das bohrende Gebrumm und Gesumm der Aggregate gewesen und das fatale Gefühl, kopfunter zu hängen.
    Auf dem Mond reichte die Gravitation offenbar zum Liegen. Und gehen konnte man eigentlich auch viel be s ser als gedacht. Die zwölf Kilo, die ich noch wog, reic h ten, um nicht abzuheben, auch wenn es sich empfahl, seine Bewegungen konsequent horizontal

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