Lehmann, Christine
unwillig. »Ich bin nur besser informiert.«
Arrogantes Arschloch!
»Deshalb neige ich nicht zu Verschwörungstheorien, Lisa. Die Sowjetunion besaß damals durchaus die Tec h nik, den Funkverkehr der amerikanischen Astronauten mitzuhören und zu orten. Hinweise auf eine gefälschte Mondlandung hätte Breschnew in den Zeiten des Kalten Kriegs unbedingt politisch ausgenutzt. Und auch in der Sternwarte Bochum saßen Journalisten und hörten den Funkverkehr mit eigenen Geräten ab. Und wenn man die erste Mondlandung gefälscht hätte, hätte man auch die fünf folgenden fälschen müssen, oder der Unterschied zu den ersten Mondbildern wäre aufgefallen. Doch warum hätte man fünf Nachfolgeflüge fälschen sollen, wenn es doch nur darum ging, dass die USA ihren ersten Mann auf dem Mond gehabt haben wollten. Dass die Fahne steht, statt zu fallen, liegt daran, dass sie versteift ist. Der Knick kommt daher, dass ein Teil der Versteifung gebr o chen ist, als sie aufgestellt wurde. Und dabei hat sie vi b riert, wegen der fehlenden Atmosphäre länger und heft i ger als auf der Erde.«
»Nur, gefunden hat sie da oben noch niemand.«
»Es hat sie auch niemand gesucht. Wo ist Cipión ?«
»Im Auto.« Ich deutete himmelsrichtungsmäßig.
Richards Limousine stand dagegen gleich um die Ecke, hinter den Fahrrädern auf dem Lieferantenpar k platz des Museums.
»In welchem Zusammenhang«, fragte ich, als wir en d lich mit Cipión auf meinem Schoß limousinig gediegen die Straßenschneise aus Friedrichshafen hinausrollten, »steht unsere Verabredung in Lindau mit deinen Ermit t lungen gegen deinen Freund Gunter Maucher und die SSF in Sachen illegaler Rüstungshandel mit China?«
Die Schwere des irdischen Daseins breitete sich wi e der über Richards Profil. »Gunter Maucher ist nicht mein Freund.«
Ich lachte. »Wundert dich das, wenn du gegen all de i ne Freunde ermittelst?«
Richard biss die Zähne zusammen. Es war noch nicht lange her, da hatte ich ihm in meiner Ermittlungswut se i nen Glauben an Vater, Mutter und Kindheit zerstört. Er hatte mir verziehen, ohne darüber zu reden. Zumindest dachte ich das.
»Und warum«, fragte ich bei Nonnenhorn, »treffen wir uns mit diesem … wie heißt er, Michel Ardan, in Bayern?«
»Der Hafen von Lindau gehört Konstanz. Wir sind a l so nicht exterritorial.«
Na gut. Ich hängte meine morgenmüden Augen in die vorbeiziehende Freizeitlandschaft entlang der Küste. Manchmal blitzte der See zwischen Bäumen, Gebäuden und Segelmasten in Yachthäfen durch.
»Bei Veith wurde eingebrochen, zwei Wochen vor seinem Tod. Alle Computer und Datenträger weg. Wus s test du das?«
»Hm.«
»Und wenn Torsten da oben etwas entdeckt hat und deshalb sterben musste?«
»Aber was sollte er entdeckt haben?«
Ich machte eine große Geste. »Gold, Helium-3, Atomwaffen … Irgendwas, wodurch Regierungen stü r zen.«
»Torsten Veith war Verfahrenstechniker, Lisa. Pro zes s ingenieur. Ihn hat das Wie interessiert, nicht das Was.«
»Und wenn er nebenbei doch etwas gefunden hat? Zum Beispiel Spuren außerirdischen Lebens.«
»Ja, sicher, Lisa. Das wird es sein.«
16
»Sie haben nur zwei Möglichkeiten, Herr Helius, en t we der Sie machen die Fahrt zum Monde in unseren Dien s ten – oder gar nicht.« Frau im Mond, Ufa-Film, Fritz Lang, 1929
Wer auf die Insel von Lindau wollte, wurde gleich hinter der Brücke seinen Wagen auf einem Parkplatz los. Cip i ón hechelte an der Leine kurzbeinig die Treppe in der Stadtmauer hinauf und zerrte uns durch mittelalterl i che Gassen und Konsumrausch zum Hafen mit seinen Café s und Wegelagerern. Ein Porträtzeichner warb mit dem Antlitz von George Clooney für seine Künste.
Am Steg lag ein Fährschiff der Weißen Flotte. Der Bahnhof, der die Gleise bis direkt an den Kai vortrieb, war der Grund, warum sich Lindau und Konstanz seit fünf Jahren um den Hafen stritten. Er war ursprünglich Eigentum der Deutschen Bahn gewesen. Die hatte die Anlagen an die Bodensee-Schiffsbetriebe verkauft, die wiederum den Stadtwerken Konstanz am anderen Ende des Bodensees gehörten. Die Konstanzer hatten schon mal hämisch herübergerufen, sie würden jetzt den ste i nernen bayrischen Löwen schleifen, der dem Leuchtturm gegenüber an der Hafenausfahrt auf der Säule hockte. Da r auf konnte Lindau nur mit Artilleriebeschuss antwo r ten.
Immerhin versammelten sich hier jedes Jahr zum Ende der Spargelzeit ein gutes Dutzend Nobelpreisträger di ve r ser Fachrichtungen
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