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Lehmann, Sebastian

Lehmann, Sebastian

Titel: Lehmann, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Genau mein Beutelschema
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Kurt. Von Christina fehlt jede Spur.
    »Was machst du denn hier?«, frage ich schwach. »Und wo ist Christina?«
    »Die Frage ist eher: Warum liegst du schon wieder mitten in der Nacht hier rum?«
    Irgendwie beruhigt es mich, dass Kurt hier ist. Ich richte mich auf und schleppe mich zur nächsten Bank, Kurt folgt mir samt Wagen und setzt sich neben mich. Das sieht bestimmtganz schön lustig aus: zwei fertige Typen mit einem Kinderwagen nachts auf einem U-Bahnhof in Tiergarten.
    »Ich habe einen Anruf bekommen«, beginnt Kurt endlich zu erzählen. »Sehr mysteriös. Ein Typ war dran, der die ganze Zeit ›ey, Alter, voll krass, Mann‹ gesagt hat und meinte, er kenne dich.«
    Keine Ahnung, ob er wirklich der Chef der Gang ist, aber der ADSler scheint im Gegensatz zu den Smiths ganz in Ordnung zu sein.
    »Und der bestand darauf, dass ich dich an der Kurfürstenstraße abholen sollte, da würdest du nämlich liegen. Schon wieder. Ich dachte natürlich, da will mich jemand verarschen, aber er hier« – er deutet auf den Kinderwagen – »hat wieder mal nicht geschlafen, und wenn ich mit ihm spazieren gehe, schläft er immer sofort ein, also haben wir einen kleinen Ausflug nach Tiergarten gemacht. Und wirklich, du lagst schon wieder hier.«
    »Und was ist mit Christina?«
    »Alles in Ordnung. Ich habe sie von deinem Handy aus angerufen, während ich gewartet habe, dass du aufwachst. Ihr ist ein paar Stunden vorher das Gleiche wie dir passiert. Jetzt ist sie bei sich zu Hause in Neukölln, und dorthin sollen wir auch sofort fahren.«
    Ich nicke schwach.
    »Willst du mir vielleicht mal erzählen, was hier abgeht? Schaffst du die paar Meter bis zu deiner Wohnung nicht mehr allein, oder was? Ich versteh das alles nicht.«
    »Oh, da geht’s mir ähnlich, ich verstehe schon lange rein gar nichts mehr. Lass uns erst mal zu Christina fahren, und dann erzähl ich, was ich gerade erlebt habe. Du kommst doch mit, oder?«
    »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Länger als fünf Minuten Kinderwagen-Stillstand, und er hier wacht sofort auf.« Kurt steht auf und beginnt den Kinderwagen zu wippen.
    Wir machen uns auf den Weg nach oben. Es ist noch tiefe Nacht, kaum eine Menschenseele unterwegs, bis plötzlich aus der Dunkelheit Dr. Alban auftaucht.
    »Nicht schon wieder!« Der Doktor grinst und scheint sich fast zu freuen, mich wiederzusehen.
    »Wo warst du denn die ganze Zeit?«, rufe ich.
    »Ich bin nach Tiergarten gezogen – wir sind jetzt Nachbarn! Ich habe einen Art Room eröffnet und renoviere mit einem Kollegen vom Art Space eine alte Eckkneipe, da wollen wir eine Bar draus machen.«
    »Dann habe ich ja doch was für meinen Artikel.« Ich hätte nicht gedacht, dass es gerade der Doktor ist, der die Gentrifizierung nach Tiergarten bringt, aber das passt natürlich bestens.
    »Klar. Übrigens, ich habe gerade mit Christina telefoniert, und sie meinte, ich solle so schnell wie möglich in die WG kommen.«
    »Da wollten wir auch gerade hin«, sagt Kurt. »Lasst uns ein Großraumtaxi mit Kindersitz bestellen, in das mein kleines Gefährt auch reinpasst. U-Bahnen fahren eh keine mehr.«

    Zwanzig Minuten später sitzen wir in einem Taxi-Kleinbus, der uns durch leere Straßen zum Hermannplatz kutschiert. Christina erwartet uns schon in der Wohnung. Wir umarmen uns, und ich bin erleichtert, dass es ihr gutgeht. Sie wiederzusehen, lässt die Ereignisse heute Nacht noch absurder erscheinen.
    Wir setzen uns alle um den Tisch in der zugemüllten Küche, dann halte ich es nicht länger aus und berichte, was mir passiert ist. Als ich die Sache mit den Hipster-Klonen erzählt habe, halte ich kurz inne. Das hört sich wirklich verdammt unglaubwürdig an. Oder eigentlich: vollkommen unmöglich. Außerdem ziemlich wahnsinnig. Die drei gucken mich auch skeptisch an. Kurt setzt wieder seinen übelgelaunten, misstrauischen Blick auf, den ich an ihm nicht mehr gesehen habe, seit er Vater ist, und wippt den Kinderwagen, in dem sein niedlicher Sohn immer noch friedlich schläft, etwas zu aufgeregt auf und ab.
    »Das ist doch völliger Schwachsinn! Agent Smith eins und zwei! Gleich erzählst du uns noch, dass wir in einer Matrix leben und hier gar nichts real ist«, bricht es schließlich aus ihm heraus. »Wie betrunken warst du eigentlich?«
    »Ich muss schon sagen, Mark«, meint auch der Doktor, »das hört sich ganz schön mysteriös an. Zumindest die Sache mit den Klonen. Dass es da ein paar verrückte Kinder gibt, die uns nach Tiergarten

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