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Lehmann, Sebastian

Lehmann, Sebastian

Titel: Lehmann, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Genau mein Beutelschema
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ziemlich heruntergekommenes, das eher aussieht wie der Raum, in dem die Folteropfer im ersten Teil von Saw eingesperrt sind. In vielleicht fünf Reihen stehen winzige Stühle vor kleinen Tischen, und mir gegenüber, an einer Seite des Raums, lehnt eine prähistorische Kreidetafel. Es gibt keine richtigen Fenster, nur kleine vergitterte Öffnungen oben an der Wand und grelle Neonröhren an der Decke, die das Klassenzimmer in unangenehmes, viel zu helles Licht tauchen. Eine der Röhren flackert unruhig vor sich hin. Es gibt keinen Zweifel: Ich bin wirklich im Keller der Rütli-Schule gefangen. Und von Christina fehlt jede Spur.
    Da tritt auf einmal ein Kapuzenpulliträger in den Raum, in der Hand einen Baseballschläger, der Hund trottet ihm hinterher.
    »Hallo, ich bin Agent Smith«, sagt der Kapuzentyp, dessen Stimme ich bis jetzt nur gehört habe. Er kann höchstens sechzehn oder siebzehn sein. Und auf seinem Pulli steht tatsächlich in grünen Lettern »Rütli-Schule«, daneben sind zwei Froschskulpturen abgebildet.
    »Agent Smith? Soll das ein Witz sein?« Ich versuche zu lachen, aber mein Kopf schmerzt zu sehr, und ich verlege mich auf hämisches Grinsen. Der Typ soll schließlich nicht mitbekommen, dass ich Angst vor ihm habe. Er setzt sich auf einen Stuhl mir gegenüber, und der Hund legt sich sofortzu seinen Füßen auf den Boden. Der Jugendliche – Agent Smith – schlägt geistesabwesend seinen Baseballschläger ein paarmal in seine Handfläche. Mir wird ziemlich mulmig.
    »Nein, wir meinen hier alles ernst. Irony is over. Keine bescheuerten intellektuellen Spielereien. Hier unten gibt’s so was nicht!«
    »Aber uns einfach mit Baseballschläger k. o. schlagen ist o. k.? Und wo ist überhaupt Christina?«
    »Deine Begleitung? Der geht’s gut. Die müsste schon auf dem Weg nach Tiergarten sein. Die übliche Prozedur.«
    »Ihr seid das also.«
    »Übrigens haben wir euch überhaupt nicht angerührt. Ihr seid von selbst in Ohnmacht gefallen. Eigentlich werdet ihr Mamasöhnchen und Papatöchterchen alle immer sofort bewusstlos, wenn ihr nur die Baseballschläger seht.«
    Ich weiß nicht, ob ich das jetzt gut oder schlecht finden soll.
    »Aber warum bin ich noch hier?«
    »Du stellst ganz schön viele Fragen.« Er sieht mich belustigt an. »Du wohnst ja auch nicht in Neukölln.«
    »Woher weißt du das?«
    »Na ja, wir kennen eigentlich jeden in Neukölln. Und – wie soll ich sagen? – dich haben wir nicht erschaffen.«
    Ich habe keine Ahnung, was mir dieser bescheuerte Agent Smith sagen will, und bekomme langsam das Gefühl, ziemlich verarscht zu werden.
    »Wir wissen nicht so recht, was wir mit dir anfangen sollen. Du passt nicht in unser Raster. Du gehst jeden Tag den entgegengesetzten Weg: von Tiergarten nach Neukölln. Dich zur Kurfürstenstraße zu verfrachten bringt nichts, du wohnstda ja wirklich. Auch wenn ich dachte, dass da eigentlich gar niemand wohnt.« Er beginnt laut zu lachen, verstummt aber sofort, als ein weiterer Kapuzenpulliträger das Klassenzimmer betritt. Er sieht genauso aus wie Agent Smith.
    »Hallo, ich bin Agent Smith«, sagt der zweite Kapuzenpulliträger und setzt sich ebenfalls auf einen der Kinderstühle mir gegenüber.
    Ich lache trotz der Kopfschmerzen. Die Situation ist einfach zu grotesk. »Macht ihr jetzt auch noch coole Kung-Fu-Moves und fliegt lustig in der Luft rum?«
    Die Smiths lassen sich genauso wenig aus der Ruhe bringen wie ihre Vorbilder in den Matrix -Filmen.
    »Sollen wir es ihm zeigen?«, fragt der zweite Smith den ersten, als wäre ich gar nicht da.
    »Ich weiß nicht so recht, ob das eine gute Idee ist«, antwortet der erste Smith.
    »Du weißt, dass es der Chef so will.«
    »Wer ist denn euer Chef?«, schalte ich mich ein.
    »Agent Smith«, sagt der erste Smith unbeeindruckt und steht von seinem Kinderstuhl auf.
    »Na gut, gehen wir rüber.« Der zweite Smith erhebt sich ebenfalls und löst mir die Fesseln. Oder ist es der erste? Wie die Praktikanten kann man die beiden kaum unterscheiden. »Versuch bloß nicht abzuhauen«, droht er.
    Die zwei nehmen mich in ihre Mitte, und wir betreten einen abgedunkelten Raum. Er ist ziemlich groß und erinnert an einen Unihörsaal mit alten, ansteigenden Bankreihen aus Holz. So sah damals auch der Chemiesaal in meiner Schule aus. Sofort fühle ich mich wieder unwohl – noch unwohler. An der Seite des Raums und vorn neben der Tafel stehen riesige Reagenzgläser.
    »Was ist das alles?«, stammle ich.
    Der zweite Smith

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