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Lehrer-Schueler-Konferenz

Lehrer-Schueler-Konferenz

Titel: Lehrer-Schueler-Konferenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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ein wichtiges Gesellschaftsereignis oder eine nationale Tragödie ausgelöst werden. Die Schüler sind erregt, verwirrt, engagiert, es fällt ihnen schwer zu arbeiten. Diese Gefühle zu ignorieren hieße, alle zu enttäuschen. Pädagogen, die spüren, dass ihre Schüler abgelenkt oder mit ihren Gedanken anderweitig beschäftigt sind, können ihnen helfen, mit ihren Gefühlen fertigzuwerden, indem sie zunächst ihr Unterrichtsprogramm vorübergehend aufschieben. Dann können sie eine Klassendiskussion anregen, damit die Schülern über ihre Gefühle sprechen können. Auch hier ist wieder die Fähigkeit des aktiven Zuhörens gefragt.
    Wenn Lehrer diese Klassendiskussionen ausprobieren, berichten sie generell, dass die Kinder dadurch wieder ins Gleichgewicht kommen. Sie versuchen ihre Gefühle und Einstellungen zu ergründen und setzen sich dadurch unvermeidlich mit Wertfragen auseinander. Das fördert die intellektuelle Entwicklung.
    Viele Lehrkräfte nehmen Klassendiskussionen als regulären Bestandteil in ihren Unterrichtsplan auf und erlauben den Schülern, über das zu sprechen, worüber sie zu diskutieren wünschen. Diese Sitzungen beginnen gewöhnlich damit, dass der Lehrer eine offene und recht allgemein gehaltene Frage stellt, zum Beispiel: » Worüber möchtet ihr euch heute unterhalten?« Er kann aber auch präziser fragen: » In letzter Zeit hat es eine Reihe von Prügeleien auf dem Schulhof gegeben. Was denkt ihr über diese Vorfälle?« Nach diesen Türöffnern verlässt er sich ausschließlich auf aktives Zuhören. Er versucht, den Schülern klarzumachen, dass ihre Vorstellungen angenommen werden.
    Ein Volksschullehrer berichtete über seine Erfahrungen mit Klassendiskussionen:
    Sie waren wirklich eine Hilfe. Ich hatte vergessen, wie schwer es für Elf- und Zwölfjährige ist, die Welt zu begreifen. Der viele Unsinn, an den sie glauben, überraschte mich, gleichzeitig aber auch, wie kritisch sie oft sind. Manche der Dinge, über die sie diskutierten, sind anspruchslos gewesen, zum Beispiel wie das Essen in der Cafeteria verbessert werden könnte. Aber sie gingen auch ein paar wirklich schwere Fragen an. Themen wie » Was ist Ehrlichkeit?« oder » Haben Menschen überhaupt das Recht, über andere Menschen zu bestimmen?«. Richtig schwierige Sachen, Fragen, mit denen ich mich erst wesentlich später auseinandergesetzt habe. Ich weiß keinen besseren Weg als diese Klassendiskussionen, um Kinder all diese widersprechenden Informationen und Gefühle ordnen zu lassen.
    Ein recht aufregender Vorfall ereignete sich in der Klasse einer an unserem Kurs teilnehmenden Lehrerin:
    Die Klasse begann den Unterricht mit einer Schönschreibstunde, und mehrere Eltern waren zu Besuch. Ich schrieb an der Tafel, als ich mich jedoch umdrehte, sah ich, wie Peter zu Michael hinüberging und ihn mehrmals schlug. Ich versuchte sie zu trennen, doch da setzte sich Peter gegen mich zur Wehr, war wütend und hatte alle Selbstkontrolle verloren. Nachdem ich ihn für eine Weile nach draußen geschickt hatte, damit er sich beruhigte, setzte ich die Stunde fort. Kurze Zeit darauf brachte der Rektor Peter in die Klasse zurück. Mit geballten Fäusten saß er an seinem Tisch. Ich fragte ihn, ob er mitarbeiten wolle, aber er weigerte sich, und so ließ ich ihn in Ruhe. Zunächst beschloss ich zu warten, bis die Eltern gegangen waren, aber dann entschied ich, es sei wichtiger, Peter zu helfen, als den Eltern eine ungestörte Unterrichtsstunde zu bieten. Ich bat die Klasse, ihre Stühle im Kreis aufzustellen. Peter machte nicht mit. Ich schlug vor, Platz für seinen Stuhl zu lassen, damit er sich jederzeit zu uns setzen könnte, wenn er wollte. Jemand meinte, ich sollte beginnen, und so sagte ich ihnen, dass ich aufgebracht und in Verlegenheit war, als Peter auf Michael einschlug, weil die Eltern anwesend waren. Ich sagte auch, dass ich sehr unglücklich darüber war, dass Peter so wütend war, und mich fragte, was Michael wohl fühle. Mehrere Schüler teilten meine Gefühle– nur sechs von 23Kindern sagten nichts. Dann erklärte Mark, dass Peter nicht allein schuld sei. Michael habe Peter vor der Schönschreibstunde geärgert.
    Lehrerin : (zu Mark gewandt) Michael hat etwas getan, das Peter aufbrachte?
    Mark : Ja, er ging zu Peters Tisch und nahm seine Chips weg.

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