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Lehrer-Schueler-Konferenz

Lehrer-Schueler-Konferenz

Titel: Lehrer-Schueler-Konferenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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wer der Boss ist, könnten die Zügel etwas gelockert werden.
    Manche Lehrkräfte können nur mit Schwierigkeiten nach dieser Maxime leben, weil sie Konflikte im Klassenzimmer als ein Negativum ansehen, wie zum Beispiel der folgende Grundschullehrer in einem unserer Kurse:
    Ich glaube, man könnte mich einen antiautoritären Lehrer nennen. Ich hasse zutiefst all das Gebrüll und Geschrei, mit dem andere Lehrer die Kinder in Schach halten. Deshalb gucke ich in eine andere Richtung und tue so, als ob die Dinge mich nicht störten.
    Das Konzept von Sieg und Niederlage scheint der Kern des verzwickten Disziplinproblems in Schulen zu sein. Lehrer meinen, ihnen stünden nur zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Strenge oder Nachgiebigkeit; Härte oder Milde; Autorität oder Antiautorität. Sie sehen die Lehrer-Schüler-Beziehung als Machtkampf, Streit, Krieg. So überrascht es dann auch nicht, dass die Schüler ihrerseits ihre Lehrer als natürliche Feinde betrachten, als Diktatoren, denen man mit allen Mitteln widerstehen muss, oder als Schwächlinge, die man ausnutzen kann.
    Die Mehrzahl der Pädagogen versucht, in Konfliktfällen einen Sieg über die Schüler zu erringen oder zumindest nicht zu unterliegen. In solchen Fällen sind die Kinder die Verlierer. Andere Lehrer, wie zum Beispiel jener, dem Schreien und Brüllen zuwider sind, glauben, den Schülern gegenüber nachgiebig sein zu müssen. Diese permissive Haltung herrscht auch bei den Verteidigern jener Theorie vor, die besagt, dass sich eine Frustration der natürlichen kindlichen Triebe nachteilig auf die Kinder auswirke. Es sei daher auch die Aufgabe des Lehrers, unannehmbares Verhalten zu ertragen, um die Gefahr möglicher » psychischer Schäden« (was immer das sein mag) bei Schülern zu reduzieren. Psychische Schäden bei Lehrkräften werden dagegen außer Acht gelassen, obwohl sie häufig das Resultat solcher Permissivität sind.
    Die zwei Konzepte von Sieg und Niederlage: Methode I und Methode II
    Die Begriffe » autoritär« und » permissiv« sind im Erziehungswesen so oft ge- und missbraucht worden, dass sie mit Emotionen beladen sind und unweigerlich zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Um dies in unseren Kursen zu vermeiden, bezeichneten wir die beiden konträren Methoden als Methode I und Methode II .
    Bei Methode I gewinnt der Lehrer den Konflikt, der Schüler verliert ihn; bei Methode II verhält es sich umgekehrt. Zur Verdeutlichung mag folgendes Beispiel dienen, das sich mit dem Problem der Unpünktlichkeit bei Oberstufenschülern befasst:
    Herr J. beginnt seinen naturwissenschaftlichen Unterricht gern mit einer kurzen mündlichen Angabe der Dinge, die im Unterrichtsverlauf erledigt werden sollen. Die Schülerin Sylvia kommt häufig zu spät zur Stunde, deshalb muss der Lehrer seine Informationen ihretwegen wiederholen oder ihre Fragen beantworten, da sie nicht weiß, welche Aufgaben sie erledigen soll.
    Nach Methode I könnte sich folgender Dialog ergeben:
    Lehrer : Wenn Sie verspätet hier ankommen, verpassen Sie die Instruktionen, die ich gleich zu Beginn der Stunde gebe. Dann muss ich mir extra nochmals die Zeit nehmen, um Ihnen Ihre Anweisungen persönlich zu geben. Ich bin das jetzt leid.
    Sylvia : Ich gehöre nun mal dem Redaktionsstab für unser Jahrbuch an, und wir haben im Augenblick wirklich viel zu tun, um die von der Druckerei gesetzten Termine einzuhalten. Deshalb habe ich mich verspätet.
    Lehrer : Ich weiß, dass Sie zu den Herausgebern des Jahrbuchs gehören und dass dies eine wichtige Aufgabe ist, aber mein Unterricht ist auch wichtig. Sie kriegen Ihr Abitur nicht, wenn Sie diesen Kurs nicht beenden.
    Sylvia : Die schriftlichen Arbeiten habe ich ja wohl alle geschafft, oder? Ich sehe nicht ein, dass ich mich so abhetzen soll, nur damit es Ihnen erspart bleibt, mir nochmals in ein paar Worten zu sagen, was ich tun soll. Was ist denn daran so schlimm?
    Lehrer : Ich habe es mir ja auch eine ganze Weile schweigend angesehen, aber ich habe es jetzt satt, Sie wie eine Primadonna zu behandeln, nur weil Sie noch diesen anderen Job haben. Von jetzt an kommen Sie pünktlich oder gar nicht mehr!
    Sylvia : Aber…
    Lehrer : Kein aber. Wenn Sie die Punkte für diesen Kurs haben wollen, kommen Sie pünktlich wie alle anderen auch. Nun setzen Sie sich.
    Sylvia : (ärgerlich) Nun gut, ich werd’s

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