Lehrer-Schueler-Konferenz
versuchen.
Wie so oft, wenn nach Methode I vorgegangen wird, hatte der Lehrer seine eigene vorgefasste » Siegesversion« für den Konflikt: Sylvia sollte pünktlich zum Unterricht erscheinen. Zunächst sollte sie durch seine Ãberredungsversuche seine Version akzeptieren, aber als sie sich widersetzte, fuhr er schwere Geschütze auf: Entweder sie käme pünktlich oder sie ginge das Risiko ein, in einem Kurs durchzufallen, den sie für das Abitur brauchte. Bei der Zurschaustellung dieser Machtfülle gab Sylvia widerwillig nach. In Abbildung23 wird Methode I dargestellt.
Bei Verwendung von Methode II könnte derselbe Dialog folgendermaÃen lauten:
Lehrer : Wenn Sie verspätet hier ankommen, verpassen Sie die Instruktionen, die ich gleich zu Beginn der Stunde gebe. Dann muss ich mir extra nochmals die Zeit nehmen, um Ihnen Ihre Anweisungen persönlich zu geben. Ich bin das jetzt leid.
Sylvia : Ich gehöre nun mal dem Redaktionsstab für unser Jahrbuch an, und wir haben im Augenblick wirklich viel zu tun, um die von der Druckerei gesetzten Termine einzuhalten. Deshalb habe ich mich verspätet.
Lehrer : Ich weiÃ, dass Sie zu den Herausgebern des Jahrbuchs gehören und dass dies eine wichtige Aufgabe ist, aber mein Unterricht ist auch wichtig. Sie kriegen Ihr Abitur nicht, wenn Sie diesen Kurs nicht beenden.
Sylvia : Ich muss nicht unbedingt Ihren Kurs wählen. Ich kann auch zu Frau M.s Gruppe überwechseln.
Lehrer : Ihre Gruppe ist bereits voll. Unsere Gruppe ist die kleinere. Ich glaube kaum, dass Sie in Frau M.s Gruppe aufgenommen werden.
Sylvia : Oh, die nimmt mich schon, und sie wird nicht so an mir herummeckern, nur weil ich wegen einer anderen wichtigen Arbeit ein paar Minuten zu spät komme. Wenn Sie unbedingt meckern wollen, warum knöpfen Sie sich nicht mal die Jungen vor, die dauernd in den Toiletten rauchen?
Lehrer : Nun hören Sie mal zu. Ich will an niemandem rummeckern und ich versuche, gut mit jedermann auszukommen. Und gewiss möchte ich nicht, dass Sie in eine andere Gruppe gehen.
Sylvia : Irgendetwas muss ich ja schlieÃlich unternehmen, wenn meine Verspätung Sie so störtâ und dabei komme ich noch nicht mal jeden Tag zu spät.
Lehrer : Nun gut, sprechen wir nicht mehr davon. Wenn Sie zu spät kommen müssen, kommen Sie eben zu spät. Ich hoffe bloÃ, es kommt nicht jeden Tag vor.
Anders als im ersten Fall widersetzte sich diesmal die Schülerin der Konfliktlösung des Lehrers, indem sie ihre eigenen Geschütze auffuhr und drohte, zu einer anderen Gruppe überzuwechseln. Der Pädagoge gab nach, war aber nicht glücklich über diese Lösung. Methode II wird in Abbildung24 dargestellt.
Die Haltung der Lehrkraft und des Schülers ist in beiden Fällen ziemlich ähnlich. Jeder denkt: » Ich will meine Lösung durchsetzen und ich bin bereit, dafür zu kämpfen.« Zusätzlich zu dieser Kampfhaltung zeigt sich noch eine andere Einstellung, die folgendermaÃen beschrieben werden könnte: » Wenn du es nicht so magst wie ich, ist das dein Pech.«
Beide Methoden basieren auf Haltungen wie Konkurrenzdenken, Starrsinn, Unhöflichkeit, Rücksichtslosigkeit, Missachtung der Bedürfnisse von anderen. Jede der beiden Methoden erzeugt in der Regel beim Verlierer ein Gefühl von Unmut und Ãrger.
Unsere Kursleiter stellten bei der Zusammenarbeit mit Tausenden von Lehrern aller Schularten fest, dass erstaunlich viele Pädagogen sich an eine dieser beiden Methoden klammern, die nur Sieg oder Niederlage zulassen, oder dass sie je nach ihrer Gemütsverfassung zwischen beiden schwanken. Nur sehr wenige Lehrer verfügen über Alternativlösungen für Konflikte.
Noch trauriger ist, dass wiederum noch weniger Lehrer sich der Tatsache bewusst sind, dass sie überhaupt eine Methode anwenden. Die Majorität handelt aufs Geratewohl und löst Probleme gewöhnlich nach dem Vorbild der eigenen früheren Lehrer oder der Eltern. Es kommt auch selten vor, dass eine Lehrkraft einen direkten Zusammenhang zwischen ihren Problemlösemethoden und dem Schülerverhalten sieht. Daher ist die eingehende Prüfung der Grenzen und Auswirkungen der Methoden I und II solch eine Offenbarung für viele unserer Kursteilnehmer. Sie kommen auf diese Weise zu neuen Einsichten, durch die sie ihr Verhalten im Klassenzimmer verstehen lernen.
Was wir über Methode I wissen
Viele gute
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