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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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interkulturellen Austausch dienend) von unserer deutschen Schule erzählen.
    Ich hatte meinem Vater am Vorabend erklärt, dass ich mich lieber live im Samstagabendfernsehen einer Darmspülung unterziehen würde, als auch nur drei Sätze über mein Leben als deutsches Schulkind abzugeben. Er hatte wohl schon Ähnliches erwartet und deshalb ein Gedicht über deutsche Schulen verfasst, welches ich den hoffentlich gnädigen Schülern vortragen sollte.
    Ich hatte mit Selbstmord gedroht und versucht, mich im Wodka zu ertränken, was dazu führte, dass meine Mutter an mein Pflichtgefühl und meinen Familiensinn appellierte. Als sie merkte, dass an beidem bei mir ein eklatanter Mangel herrschte, nahm sie meine Hände und bat mich von Herzen, meinem Vater den Gefallen zu tun, damit dieser Albtraum von einem Urlaub endlich ein friedliches Ende nahm.
    Ich willigte ein, doch als ich sah, was mein Vater unter dem Einfluss von Alexejs selbst gebranntem Synapsentod zusammengedichtet hatte, wollte ich mich selbst am liebsten gleich wieder auf die Suche nach dem Kanister machen.
    Auf dem kleinen, sorgfältig und leserlich beschriebenen Zettel stand allen Ernstes folgende Strophe:
     
    Gepriesen sei die Tüchtigkeit
    Des Lehrers große Tugend
    Er fördert wie kein anderer
    Die Zukunft uns’rer Jugend.
     
    Der Schüler kann ihm dankbar sein
    Für all sein edles Streben
    Der Lehrer gibt, der Schüler nimmt
    Und lernt auch so fürs Leben.
     
    Das klang ja eher nach einer Pädagogenlobpreisung aus einem Peter-Alexander-Film von 1956 als nach zeitgenössischer Dichtung! Ich lehnte ab und bot an, mir lieber vor versammelter Mannschaft einen Eimer Curryketchup über den Kopf zu gießen, das würde auch zu Heiterkeit führen und war nur halb so blamabel.
    Nach einer Nacht des Bittens und Flehens meiner Mutter, die immer noch den Familienfrieden in Gefahr sah, war ich mir sicher, dass das Konzept des familiären Friedens nicht meinen Frieden mit einschloss. Ich sagte zu, auch weil meine Eltern mir für die Zukunft einen Urlaub an einem karibischen Sonnenstrand versprachen. Ich wäre mittlerweile selbst mit FKK-Ferien auf Usedom zufrieden gewesen.
     
    Und dann stand ich da und hielt meinen kleinen Schmierzettel in der Hand, die russischen Schüler sahen mich gespannt an. Mein Vater kündigte mich wortreich als seinen Sohn an, und eigentlich war ich schon froh, wenn er mich nicht wieder mit Oskar Matzerath oder dem Sams verglich. »Hier ist er nun, mein Sohn Bastian«, rief mein Vater und breitete seine Arme aus, als käme jetzt das Nilpferd und fräße einen Kohlkopf.
    Ich trat vor, verbeugte mich steif und sah meinen Vater an, der sich stolz neben Sergej postiert hatte. Dann begann ich, meine eigene Version der Deutsch-Russischen-Völkerverständigung vorzutragen …
     
    Moskau, Moskau
    Wirf die Gläser an die Wand
    Russland ist ein schönes Land
    Ho Ho Ho Hey!
     
    Wodka, Wodka
    Lehrer, die sind gerne stramm
    Weil der Schüler gar nichts kann
    Ha Ha Ha Hey!
     
    Schule, Schule
    Lehrerkind sein, das ist doof
    Lebenslänglich Pausenhof
    Ho Ho Ho Hey!
     
    Eine eigenartige Stille setzte ein, fast wie bei unserem Beinahe-Absturz in der russischen Tundra. Anscheinend war Dschinghis Khans deutsche Ostblockhymne niemandem hier ein Begriff. Gut, es fehlte zwar die Hintergrundmusik und statt einer tanzenden Truppe in Karnevalsgewändern stand nur ein Junge mit Knabenbusen und zu kurzem T-Shirt vor der Klasse, aber rein textlich hatte ich die Nummer sicher rübergebracht. Meinem Vater waren meine kleinen Änderungen offensichtlich aufgefallen, er schaute mich wütend an, als wäre aus dem Karibikurlaub gerade Strafdienst im Gulag geworden.
    Plötzlich sprang Sergej von der Wand ab und brach in frenetischen Jubel aus, die Kinder fingen auch an zu applaudieren, als hätte ich gerade meisterhaft den Faust gegeben. Anscheinend hatte keiner außer uns beiden etwas von meinen Tiraden verstanden, Sergej klopfte mir stolz auf den Rücken, während ich immer noch dastand wie bei der Musterung.
    Er schob mich neben meinen Vater, der mich weiterhin mit versteinerter Miene ansah und wahrscheinlich überlegte, wie er meinen Großeltern in Deutschland erklären sollte, dass ihr Enkel nicht aus Russland zurückgekehrt war.
    »Gar nicht schlecht, oder?«, murmelte ich leise, während ein Mädchen mit einer Balalaika den Raum betrat. Mit der absurd großen Folkloregitarre sah sie aus wie Schlumpfine am Kontrabass.
    »Ich rede nie wieder ein Wort mit dir, so eine

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